Bologna-Studiensystem für Veterinärmedizin?

(18.07.2006) Ausgehend von einer gemeinsamen Absichtserklärung zwischen  Staaten im Jahr 1999 in Bologna, haben sich bis jetzt an die 50 europäischen Staaten dazu entschlossen, die Struktur ihrer Hochschulstudien in einer dreistufigen Hierarchie aufzubauen: Bachelor-, Master- und Doktoratsstudium.

1. Das Bologna-Studiensystem

Das Bachelorstudium hat die Aufgabe, eine umfassende wissenschaftliche Berufsvorbildung in den für das betreffende Studium wesentlichen Disziplinen zu vermitteln. Es soll in der Regel 180 ECTS credits umfassen.

Das Masterstudium soll darüber hinaus eine Spezialisierung in einem oder mehreren Teilbereichen des vorangehenden Bachelorstudiums oder verwandter Disziplinen ermöglichen. Es soll in der Regel 120 ECTS credits umfassen.

Das Doktoratsstudium schließlich soll zur selbstständigen Bearbeitung wissenschaftlicher Fragestellungen hinführen und damit zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses beitragen. Die Dauer soll in der Regel mindestens drei Jahre betragen. Für die Berufsausübung ist es unmittelbar nicht relevant und kann daher im Folgenden außer Betracht bleiben.

Im Sinne des ECTS (European Credit Transfer System) entsprechen 60 ECTS credits den studienmäßigen Leistungsanforderungen für ein Studienjahr.

2. Anwendung auf dass Studium der Veterinärmedizin

Was ist nun erforderlich, um ein bestimmtes Studium sinnvollerweise auf das beschriebene dreigliedrige System umzustellen? Zu betrachten sind dabei vor allem die Studieninhalte und das Gesamtergebnis der Ausbildung.

Da das Bachelorstudiums eine möglichst geschlossene wissenschaftliche Ausbildung vermitteln soll, die zu einschlägigen Berufen befähigt, heißt das, dass in den vorgesehenen drei Studienjahren keine Disziplin fehlen soll, die für das betreffende Studium und seine berufsmäßige Orientierung wesentlich ist. Mit anderen Worten: Es sollte zumindest ein Berufsfeld geben, das in einer dreijährigen wissenschaftlichen Berufsvorbildung eine sinnvolle Grundlage findet. Im Fall der Veterinärmedizin erscheint dies primär nicht der Fall (wenn man von allfälligen Berufsfeldern absieht, die nur Teilaspekte der tierärztlichen Tätigkeit umfassen könnten).

Es bleibt die Alternative, die Einführung eines Bachelorstudiums zu erwägen, dessen Abschluss praktisch noch keine einschlägige berufliche Qualifikation vermittelt, sondern zu diesem Zweck notwendigerweise durch ein Masterstudium ergänzt werden muss. In diesem Fall hätten wir eine akademischen Zwischenabschluss ohne berufliche Auswirkungen, zumindest auf tieräztlichem Gebiet (die Aufnahme „artfremder“ Tätigkeiten bleibt selbstverständlich unbenommen und wird auch häufig praktiziert).

Die Funktion eines Masterstudiums der Veterinärmedizin wäre dann nicht so sehr eine Spezialisierung in einem oder mehreren Teilbereichen des Bachelorstudiums, sondern dessen fachliche Ergänzung. Die Neustrukturierung könnte aber insofern von Relevanz sein, als diejenigen Disziplinen der Veterinärmedizin, die auf anderen aufbauen und besonders komplexe Fragestellungen enthalten, eher für das Masterstudiums geeignet sind.

Dabei stellt sich aber die Frage, ob die Disziplinen, die Inhalte des Bachelorstudiums sind, für die Masterarbeit – die ja im Verlauf einer solchen Studienstruktur die erste wissenschaftliche Arbeit ist – aus formalen Gründen überhaupt in Betracht kommen.

3. Fazit

Eine Umstrukturierung des Studiums der Veterinärmedizin im Sinne des Bologna-Systems erfordert eingehende Überlegungen für die Schnittstelle zwischen Ausbildung und Beruf .Es wird die Funktion den einzelnen Disziplinen innerhalb des Studiums und im Hinblick auf die Berufstätigkeit zu definieren sein.

Außerdem wird man überlegen müssen, welche Möglichkeiten eines sinnvollen Ausstiegs aus dem Studiensystem für diejenigen Personen bestehen, die nur das Bachelorstudium absolviert haben. Schließlich stellt sich die Frage, in welche Richtung sich mittelfristig die Berufsbilder im tierärztlichen oder angrenzenden Bereich sollen.

Heinz Kasparovsky
Leit der Abteilung Internationales Hochschulrecht
im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur


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