Sichere Milch für Tansania

(11.10.2005) Ein neues Aufgabengebiet für Tierärzte und Wissenschaftler in einem Land der Gegensätze. Unter der Leitung von Frau Univ.Ass. Dr. Dagmar Schoder

Wer kennt Sie nicht die landschaftlichen Superlativen Tansanias: Kilimandscharo, Tanganjikasee, Ngorongorokrater, Serengeti-Nationalpark…!

Tansania hält jedoch leider auch negative Rekorde:

Es zählt noch immer zu einem der ärmsten Länder der Welt und im Entwicklungsindex des Human Development Report belegt Tansania den Rang 162 von 177 Ländern. Ein rasantes Bevölkerungswachstum, steigende Urbanisierung und eine hohe HIV/AIDS-Prävalenz von 10% zählen zu den größten Problemen des Landes.

Die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. 29% der Kinder unter 5 Jahren sind untergewichtig und 43% der Gesamtbevölkerung sind unterernährt. Mangelernährung und Durchfallerkrankungen gehören zu den häufigsten Todesursachen von Kindern.

Milch - ein beliebtes Nationalgetränk und Hoffnungsträger für die Armen

Jedes Jahr werden in den Entwicklungsländern insgesamt 200 Milliarden Liter Milch konsumiert. Bis zum Jahr 2020 wird dieser Milchkonsum auf 260 Milliarden Liter ansteigen. Der Kauf einer Milchkuh erweist sich in vielen Regionen Afrikas mitunter als beste Investition, die man tätigen kann.

In Tansania gewährleisten Maasai und urbane Kleinbauern die Milchversorgung des Landes. Sie erwirtschaften zirka 96% des nationalen Milchertrags.

Im Gegensatz zu den Maasai fehlt es diesen Kleinbauern jedoch an traditionellem Wissen und Erfahrung im Umgang mit Tieren. Die Rinder werden in mitten des Stadtgebietes, in Hinterhöfen in kleinen Verschlägen gehalten und in Ermangelung eigener Weideflächen mit zugekauftem Grünfutter oder einfach nur mit Abfällen gefüttert. Krankheiten der Tiere werden nicht oder zu spät erkannt und Tierärzte aus Kostengründen nicht hinzugezogen.

Milchsammlung – ein Job für richtige Männer

Was der Milchtankwagen in unseren Breiten, sind Hawker in Tansania. Hawker bringen die Milch der Maasai zu Milchsammelstellen und fungieren so als Zwischenhändler.

Diese Arbeit erfordert eine gute körperliche Konstitution. Mit alten, klapprigen Fahrrädern werden bis zu 80 Liter Milch transportiert. Plastikeimer oder Alukannen werden seitlich ans Rad geschnürt und auf geht die Reise über holprige Sandpisten bis zur nächsten Sammelstelle.

In den Sammelstellen wird die Milch erstmals gekühlt. Fünf Stunden Fahrzeit sind keine Seltenheit. Lohn für all die Anstrengungen gibt es jedoch erst nach bestandener Eingangskontrolle. Mitarbeiter der Sammelstelle überprüfen mit Hilfe des Alkoholtests den Frischezustand der Milch. Flockt Milch aus, gilt sie als verdorben – und der Hawker bekommt kein Geld.

80% der Milch werden über den inoffiziellen Markt vertrieben

Der Konsument bezieht die Rohmilch entweder direkt vom Produzenten, von Straßenhändlern oder kleinen Milchkiosken.
Nur etwa 5% (!) der Milch Tansanias werden in lizenzierten, weitere 10% in nicht lizenzierten Kleinbetrieben zu pasteurisierter Trinkmilch weiterverarbeitet. Meist verfügen nur lizenzierte Großmolkereien über entsprechendes technisches Know-how.

Wertvolle Vorarbeit: Forschungsprojekt der Veterinärmedizinischen Universität, Wien (VUW)

Im Rahmen eines 2jährigen Forschungsprojektes der VUW mit dem Animal Disease Research Institute und der Austroproject Association (Dar es Salaam, Tansania) galt es den Hygienestatus der Milchgewinnung und –verarbeitung in Tansania zu erheben.

Die Ergebnisse unserer Studie waren ernüchternd:
- Milch in Tansania ist hochgradig keimbelastet.
- Setzt man den europäischen Hygienestandard als Maßstab waren nur 17% der untersuchten Milchproben verkehrstauglich.
- 5% der Milchproben waren Antibiotika positiv.
- 85% der wärmebehandelten Konsummilchproben wurden überhitzt - wertvolle Milchinhaltsstoffe gingen dabei verloren.
- Und 84% (!!) der isolierten Krankheitserreger waren resistent gegen Antibiotika.

Milch - ein wertvolles Grundnahrungsmittel, aber auch ein ideales Nährmedium für Krankheitserreger

Milch zählt zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln und ist die Hauptnahrungsquelle für Säuglinge und Kleinkinder. Milch ist sehr nährstoffreich und enthält neben Phosphor und Magnesium vor allem auch das für den Knochenaufbau außerordentlich wichtige Kalzium.
Gleichzeitig ist Milch aber auch ein gutes Nährmedium für Krankheitserreger und damit einer der wichtigsten  Träger von über Lebensmittel übertragbaren Zoonosen (Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden).

Sichere Lebensmittel – ein Grundrecht für alle

Wir, die Konsumenten der 1. Welt fordern dieses Grundrecht selbstbewusst ein. Aber auch die Menschen in Afrika haben Anspruch auf sichere Lebensmittel! Leider wird in Tansania der Aspekt der Lebensmittelsicherheit vollkommen außer Acht gelassen.
Es trifft wie immer die Ärmsten der Armen: Säuglinge, Kleinkinder, schwangere Frauen, alte und kranke Menschen sind aufgrund ihrer geschwächten Immunabwehr besonders gefährdet.

Tierärzte schützen Menschenleben

Tierärzte ohne Grenzen hat sich mit dem Projekt "Sichere Milch für Tansania" das Ziel gesetzt, eine einfache und kostengünstige Form der Lebensmittelüberwachung in Tansania zu schaffen, welche in Folge auch jederzeit in anderen Ländern der zweiten und dritten Welt anwendbar ist.

Lebensmittelsicherheit für Tansania

Zunächst wird die Milch auf Krankheitserreger untersucht, um so den Infektionsdruck und das Infektionsrisiko des Konsumenten abschätzen zu können.

In Tansania werden Medikamente wie Antibiotika über private Händler vertrieben. Der unkontrollierte Einsatz von Antibiotika führt zur Selektion von therapieresistenten Keimen. Ziel ist es, Krankheitserreger in einer nationalen Stammsammlung abzulegen und ihr Virulenz- und Antibiotikaresistenzverhalten zu bestimmen. Ein nationales Resistenz-Monitoringprogramm hilft die Entwicklung von multiresistenten Keimen zu erkennen.

Das Projekt "Sichere Milch für Tansania" richtet sich an alle im Bereich der Lebensmittelgewinnung, –verarbeitung und –überwachung tätigen Personen:

Im Rahmen von Schulungen gilt es, das Hygieneverständnis von Milchproduzenten, Zwischenhändlern, Betreibern und Mitarbeitern von Milchsammelstellen, Verarbeitungsbetrieben und Verkaufsläden zu schulen. Mitarbeiter von Lebensmitteluntersuchungsanstalten und Forschungseinrichtungen sollen die Anwendung moderner, internationaler Untersuchungsmethoden erlernen, wodurch der Grundstein für die Produktion gesunder und nahrhafter Milch für die Bevölkerung Tansanias sichergestellt werden soll.

Firmennews

Neuerscheinungen