Gutachten: Rasieren der Tasthaare bei Hunden ist in Österreich verboten

(04.02.2020) Bündnis aus Tierschutz, Veterinärmedizin und Wissenschaft unterstützt Position

Was für Menschen eine Frage des Geschmacks ist, ist für Hunde ein No-Go: Das Abschneiden, Scheren oder Rasieren der Tasthaare (auch Barthaare, Sinneshaare – im Fachjargon Vibrissen – genannt) aus kosmetischen Gründen ist ein unzulässiger Eingriff, der laut österreichischem Tierschutzgesetz verboten ist.

Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das die Tierschutzombudsstelle Wien (TOW) aus aktuellem Anlass in Auftrag gegeben hatte. Diese Position wird von einem breiten Bündnis aus Tierschutz, Veterinärmedizin, Wissenschaft und HundeverhaltensexpertInnen unterstützt.


Tasthaare (auch Barthaare, Sinneshaare � im Fachjargon Vibrissen � genannt)

Bei der Internationalen Hundeausstellung in Graz (IHA) waren im vergangenen Jahr im Zuge der amtstierärztlichen Kontrolle auch die Tasthaare der ausgestellten Hunde überprüft worden.

In mehreren Fällen wurde das Fehlen der Vibrissen beanstandet, was das zuständige Veterinäramt als Verstoß gegen das Tierschutzgesetz wertete.

Diese Entscheidung sorgt bis heute für rege Diskussionen. „Das Vorgehen der AmtstierärztInnen vor Ort war absolut korrekt“, sagt Barbara Fiala-Köck, Tierschutzombudsfrau in der Steiermark.

„Dass die Einschätzung der KollegInnen nun auch von unabhängigen ExpertInnen bestätigt wird, sollte den BefürworterInnen der Vibrissen-Schur zu denken geben.“

Das von Prof. Dr. Rudolf Winkelmayer und DDr.in Regina Binder veröffentlichte Gutachten kommt zu einem eindeutigen Ergebnis. „Es wird die Auffassung vertreten, dass das Abschneiden von Vibrissen bei Hunden aus tierschutzrechtlicher Sicht verboten und aus veterinärfachlicher, biologischer und tierethischer Sicht abzulehnen ist“, sagt Eva Persy, Leiterin der Tierschutzombudsstelle Wien.

Eine Position, die von den Tierschutzombudspersonen der Länder Wien, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg, dem Dachverband der Österreichischen Tierschutzorganisationen „pro-tier“, der Österreichischen Tierärztekammer, der „Prüf- und Koordinierungsstelle Assistenzhunde und Therapiebegleithunde“ am Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität sowie der Vereinigung Österreichischer HundeverhaltenstrainerInnen (VÖHT) geteilt wird.

Persy: „Unseres Erachtens gibt es hier keine Zweifel: Wer seinem Hund alleine aufgrund von in Rassestandards festgelegten Schönheitsidealen die Tasthaare entfernt, verstößt gegen das Tierschutzgesetz.“

In dem Gutachten wird die wichtige Funktion der Sinneshaare eingehend erläutert. „Vibrissen […] sind ein wichtiger Teil des taktilen sensorischen Apparats bei nahezu allen Säugetieren, außer beim Menschen“, heißt es in dem 15-seitigen Dokument.

Zwar fehlt es bislang an seriösen wissenschaftlichen Studien über die Bedeutung der Vibrissen speziell für Hunde, doch „nach den anatomischen Gegebenheiten bei Hunden und nach verhaltens- und neurophysiologischen Daten anderer Säugetierarten, die mit Hunden vergleichbar sind, kann man die Hypothese aufstellen, dass es sich bei Vibrissen um Sinnesorgane handelt, die für die Tiere eine bestimmte Bedeutung bzw. Funktion haben“, schreiben Winkelmayer und Binder.

So wird den Tasthaaren eine wichtige Rolle etwa bei der Orientierung im Dunkeln, bei der Wahrnehmung von Umgebung und Objekten sowie bei der Kommunikation zugeschrieben.

Laut Bundestierschutzgesetz sind Eingriffe, wenn sie nicht therapeutischen bzw. diagnostischen Zwecken oder der fachgerechten und rechtskonformen Kennzeichnung von Tieren dienen, verboten. Ohne eine veterinärmedizinische Indikation dürfen Eingriffe, die der Veränderung des phänotypischen Erscheinungsbildes eines Tieres dienen und daher aus kosmetischen Gründen erfolgen, nicht durchgeführt werden (§ 7 Abs. 1 TschG).

Dass die Tierschutzgesetzgebung das Entfernen der Vibrissen für tierschutzrelevant erachtet, zeigt sich auch darin, dass bei Pferden das Clippen der Tasthaare um Augen, Nüstern und Maul ausdrücklich verboten ist (1. ThVO, Anlage 1).

Eine unterschiedliche Bewertung der Maßnahme bei Pferd und Hund könne sachlich nicht gerechtfertigt werden, urteilen Binder und Winkelmayer im Gutachten. In Deutschland ist die Gesichtsschur bei Hunden übrigens ebenfalls verboten.

„Wir hoffen im Sinne der Tiere, dass das Bewusstsein für das bestehende Verbot der kosmetischen Vibrissen-Schur unter HundehalterInnen, speziell bei den HalterInnen besonders betroffener Rassen und in den jeweiligen Verbänden, weiter zunimmt“, so Fiala-Köck.

Auch sollten bei internationalen Hundeausstellungen TeilnehmerInnen aus anderen Ländern im Vorfeld explizit auf die österreichische Gesetzeslage aufmerksam gemacht werden, um hier unangenehme Situationen zu vermeiden.

Persy betont: „Es muss für alle Beteiligten klar sein: Das ist keine „Pflege“, das ist kein harmloses „Frisieren“, sondern ein nicht zu rechtfertigender Eingriff am Tier.“

Das vollständige Gutachten finden Sie hier: www.tirup.at/periodical/titleinfo/4676208




Weitere Meldungen

Tier&Recht-Tag 2023

Tier&Recht-Tag 2023: Haltung zeigen!? Wie transparent sind Haltung und Herkunft tierischer Lebensmittel?

Zum 8. Mal lädt die Tierschutzombudsstelle Wien am 6. Dezember 2023 zum Tier&Recht-Tag, der jährlichen Fachtagung für Expert*innen und Praktiker*innen aus dem Tierschutz(recht), ein
Weiterlesen

Tier&Recht-Tag 2021

Tier&Recht-Tag 2021: Vererbtes Leid - Wege aus der Qualzucht

Am 2. Dezember 2021 lädt die Tierschutzombudsstelle Wien zum Online-Tier&Recht-Tag zum Status quo und zu rechtlichen Möglichkeiten gegen die Qualzucht
Weiterlesen

Tier&Recht-Tag 2019

Tier&Recht-Tag 2019

Am 5. Dezember 2019 lädt die Tierschutzombudsstelle Wien zum Tier&Recht-Tag in die Wiener Urania
Weiterlesen

Gesundheitsakademie Wien

Seminar Tierschutz und Recht

Seminar am 26. und 27. Jänner 2019 für alle Tierschützer und Tierfreunde mit der bekannten Juristin Mag. Martina Pluda, Kampagnenleiterin bei VIER PFOTEN Österreich
Weiterlesen

Gesundheitsakademie Wien

Seminar Tierschutz und Recht

Seminar am 4. und 5. März 2017 für alle Tierschützer und Tierfreunde mit der bekannten Juristin von Vier Pfoten Mag. Martina Pluda
Weiterlesen

Lehr- und Forschungszentrum Raumberg-Gumpenstein

Aktuelle Entwicklungen im Tierschutzrecht, Tierbetreuung und alternative Haltungsverfahren

Am 23. Mai 2012 findet die Nutztierschutztagung am Institut für Artgemäße Tierhaltung und Tiergesundheit LFZ Raumberg-Gumpenstein statt
Weiterlesen

Tierrechtskongress 2011

Tierrechtskongress 2011

Der VGT veranstaltet vom 8. bis 11. Dezember 2011 den 4. Tierrechtskongress in Wien
Weiterlesen

Dummy Bild

Qualzuchtverbot - eine Herausforderung für Züchter und Tierärzte

Die Gesellschaft der Freunde der Veterinärmedizinischen Universität Wien - Heimtierkreis - lädt am 21.3.2009 zum Seminar an die VUW
Weiterlesen

Magazin

Firmennews

Neuerscheinungen