Schiffsverkehr stört Schweinswale bei der Nahrungssuche

(19.02.2018) Internationales Forscherteam untersuchte das Verhalten von Schweinswalen.

Beeinflusst Schiffsverkehr das Verhalten von Schweinswalen? Unter anderem diese Frage stand am Anfang des Projektes „Auswirkungen des Unterwasserschalls der Offshore-Windenergieanlagen auf marine Säugetiere“, das ein internationales Forscherteam, gefördert unter anderem vom Bundesamt für Naturschutz, in dänischen Küstengewässern durchführt.

Ergebnisse dieses Forschungsprojektes veröffentlichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society B“.


Schweinswal mit einem akustischen Datenlogger

Für das Projekt statteten die Forscher sieben Schweinswale mit akustischen Datenloggern aus, indem sie sie mit Saugnäpfen auf den Tieren befestigten.

Etwa zwischen 12 und 24 Stunden zeichneten die Geräte auf, wo sich die Tiere befanden, wie tief sie tauchten, welche Signale sie sendeten und empfingen, welchem Lärm sie ausgesetzt waren, wann sie sich ausruhten und wann sie jagten.

Der Lärm, den Schiffe verursachen, liegt im für Schweinswale hörbaren Bereich. Anhand der Daten, die die Forscher mit den Datenloggern zusammentrugen, konnten sie ablesen, dass Schweinswale etwa 17 bis 89 Prozent der gemessenen Zeit dem Lärm von Schiffen ausgesetzt waren.

Schweinswale orientieren sich im Wasser über ihr Echolotsystem. Sie senden Klickgeräusche aus und ziehen aus dem reflektierenden Echo Rückschlüsse auf ihre Umgebung.

Mit Hilfe dieses Systems kommunizieren sie miteinander, orientieren sich und suchen nach Nahrung. Auf der Jagd nach Beutetieren steigern Schweinswale deutlich die Klickrate auf bis zu 500 Signale pro Sekunde.

Mit diesem Wissen konnten die Forscher an den gesammelten Daten genau ablesen, wann der Schiffsverkehr die Tiere bei der Jagd störte. Das Ergebnis: Die Anzahl der Jagdversuche ging durch den Schiffsverkehr zurück.

Zeitweise maßen die Wissenschaftler besonders hohe Lärmpegel. Anhand der Navigationsdaten, die Berufsschiffe an das „Automatische Identifikationssystem AIS“ übermitteln müssen, konnten die Wissenschaftler zurückverfolgen, dass diese besonders hohe Lärmbelastung durch Schnellfähren verursacht wird.

Die Fähren fahren schneller, als Schweinswale schwimmen können. Um ihnen auszuweichen, tauchten die Tiere ab und unterbrachen dafür ihre Nahrungssuche. Zum Teil stoppten sie ihre Echoortung. Die Begegnung von Schweinswal und Fähre lässt sich an dieser visualisierten akustischen Aufnahme sehr gut nachvollziehen.




Ursula Siebert, Leiterin des Instituts für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) erklärt, was diese Störungen für Schweinswale bedeuten: „Als Säugetiere müssen Schweinswale im Wasser ihre Körpertemperatur aufrecht erhalten.

Darum haben sie einen vergleichsweise aktiven, also energieintensiven, Stoffwechsel. Sie benötigen regelmäßig Futter, um diese Energie zuzuführen. Werden sie während der Jagd immer wieder gestört, kann auf lange Sicht die körperliche Fitness der Tiere leiden.“

Die Wissenschaftler arbeiteten für das Projekt mit dänischen Fischern zusammen. Sie benachrichtigten die Forscher, wenn ein Schweinswal in eines ihrer sogenannten Ringwadennetze geschwommen war.

Die Netze sind sehr feinmaschig, sodass die Schweinswale sich nicht darin verheddern und ertrinken können. Zudem haben sie einen Boden, der es den Wissenschaftlern ermöglicht, die Netze langsam zusammenzuziehen, um an die Schweinswale zu gelangen.

Sie hoben die Tiere dann kurz an Bord ihres Bootes, vermaßen und begutachteten sie und statteten sie mit den Datenloggern aus. Dafür benötigten sie nie mehr als 15 Minuten.

In dem Projekt arbeiten Wissenschaftler der Aarhus Universität in Dänemark, der St. Andrews Universität in Schottland und dem Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der TiHo zusammen.

Finanziert wurde das Projekt vom Bundesamt für Naturschutz, der Carlsberg Foundation, dem Danish Council for Research, Natural Sciences (FNU), der Marine Alliance for Science and Technology Scotland und einem Marie Skłodowska-Curie Career Integration Grant.



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