Neuartiges Pockenvirus bei Schienenechsen (Crocodilurus amazonicus) entdeckt

(08.04.2021) Bei Crocodilurus amazonicus (Familie Teiidae), einer Echsenart von bis zu 120 cm Körperlänge, wurde ein neuartiges Pockenvirus (Familie Poxviridae) entdeckt.

WissenschafterInnen des Instituts für Virologie an der Vetmeduni Vienna gelang es nun erstmals, das Genom des Virus zu sequenzieren.

Dabei zeigte sich, dass das Reptilienpockenvirus seine engste phylogenetische Beziehung zu Vogelpockenviren (Avipoxvirus) aufweist – eine Entdeckung, die die Möglichkeit eines Virusaustausches zwischen Vogel- und Reptilienarten unterstreicht und im Rahmen von Arterhaltungsprogrammen relevant sein könnte.


Schienenechse mit mehreren Hautläsionen

Im Jahr 2019 zeigten fünf Crocodilurus amazonicus eines privaten österreichischen Tierhalters Hautläsionen und Gewichtsverlust. Aufgrund der Schwere der klinischen Symptome musste ein Tier eingeschläfert werden.

Es wurde zur weiteren diagnostischen Untersuchung an die Pathologie des Forschungsinstituts für Wildtierökologie der Vetmeduni Vienna geschickt. Das Tier wies mehrere erhöhte, teilweise ulzerierte Hautläsionen mit einem Durchmesser von bis zu 4 mm auf dem Rücken und im Bereich von Kopf, Hals und Schwanz auf, die sich allerdings nicht in die darunter liegenden Muskel erstreckten.

In diesen Läsionen konnten die WissenschafterInnen eine große Anzahl von Pockenvirus-ähnlichen Partikeln nachweisen. Eine Probe aus einer Hautläsion wurde schließlich positiv auf das Vorhandensein von Pockenvirus-DNA getestet.

Überraschenderweise engste Verwandtschaft zu Vogelpocken

Obwohl Pockenvirus-ähnliche Läsionen und Infektionen bereits früher bei verschiedenen Reptilien beschrieben wurden – darunter Krokodile, Schildkröten, Chamäleons und Tejus –, wurden sie auf genetischer Ebene noch nicht charakterisiert, mit Ausnahme von Pockenviren bei Nil- und Salzwasserkrokodilen.


links: Gewebeschnitt eines betroffenen Hautbereichs mit starker Ballonbildung der Zellen. rechts: Gewebeschnitt (Transmissionselektronenmikroskopie) mit pockenvirus-ähnlichen Partikeln in Hautläsionen.

Die nun in Archives of Virology veröffentlichte Studie der Vetmeduni Vienna ist der erste Bericht über die Genomsequenz eines Pockenvirus bei einer Schienenechse – und zeigt, dass dieses am engsten mit Avipoxviren verwandt ist.

Dazu Erstautorin Kerstin Seitz vom Institut für Virologie der Vetmeduni Vienna: „Die enge Verwandtschaft des von uns untersuchten Pockenvirus mit Avipoxviren ist angesichts der mehr als 150 Millionen Jahre alten phylogenetischen Trennung zwischen Vogel- und Reptilienarten und der Unterschiede in der Körpertemperatur überraschend. Viren sind meist sehr gut an die Körpertemperatur Ihres Wirtes angepasst, Vögel liegen hier zwischen 38° und 42°C, die Körpertemperatur von Schienenechsen ist hingegen von der Umgebungstemperatur abhängig.

„Die große genetische Distanz zu Krokodilpockenviren könnte darauf hinweisen, dass die Pockenviren von Reptilien zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sind. Daher sind zusätzliche Untersuchungen erforderlich, um die Vielfalt der Pockenviren von Reptilien sowie deren Artenspezifität und Potenzial als Seuchenerreger zu untersuchen“, erklärt Studien-Letztautorin Christiane Riedel vom Institut für Virologie der Vetmeduni Vienna.

Viren mit hoher Relevanz für die öffentliche Gesundheit

Pockenviren sind große umhüllte Viren mit einem doppelsträngigen DNA-Genom. Sie sind bedeutende Krankheitserreger mit einer hohen Relevanz für die öffentliche Gesundheit. Infizieren können diese Viren eine Vielzahl von Wirtsarten, von Insekten bis zu Säugetieren. Innerhalb der Familie Poxviridae werden zwei Unterfamilien (Chordopoxvirinae und Entomopoxvirinae) anhand ihrer Wirte definiert, die entweder Wirbeltiere oder Insekten sind.

Die Unterfamilie Chordopoxvirinae ist in 18 Gattungen unterteilt, darunter insgesamt 52 Arten. Pockenviren, die Nicht-Säugetierarten infizieren, gehören zu den Gattungen Avipoxvirus und Crocodylidpoxvirus. Wie auch bei Säugetierwirten beobachtet werden kann, sind Pockenviren bei Vögeln und Reptilien hauptsächlich mit Hautläsionen verbunden, können aber auch die oberen Atemwege und den Magen-Darm-Trakt betreffen. Pockenvirusinfektionen von anderen Reptilien als Krokodilen wurden in der Literatur beschrieben, es sind jedoch bisher keine Sequenzinformationen oder weitere Charakterisierungen dieser Viren verfügbar.

Publikation

Der Artikel „Discovery of a phylogenetically distinct poxvirus in diseased Crocodilurus amazonicus (family Teiidae)“ von Kerstin Seitz, Anna Kübber‑Heiss, Angelika Auer, Nora Dinhopl, Annika Posautz, Marlene Mötz, Alexandra Kiesler, Claudia Hochleithner, Manfred Hochleithner, Gregor Springler, Annika Lehmbecker, Herbert Weissenböck, Till Rümenapf und Christiane Riedel wurde in Archives of Virology veröffentlicht.



Weitere Meldungen

Eichhörnchen mit Pockenvirus-Läsionen; Bildquelle: Gudrun Wibbelt, Leibniz-IZW

Neues Pockenvirus bedroht junge Eichhörnchen

Ein bisher unbekanntes Pockenvirus verursacht schwere Erkrankungen bei Europäischen Roten Eichhörnchen in Deutschland
Weiterlesen

Friedrich-Loeffler-Institut

Pocken: was können wir 40 Jahre nach ihrer Ausrottung noch von ihnen lernen?

Die Ausrottung der Pocken vor rund 40 Jahren war ein Riesenerfolg. Aus der Forschung ist die ehemals gefürchtete Infektionskrankheit aber nach wie vor nicht verschwunden
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen