Pfeilgiftfrösche: Kaulquappen kommen Huckepack und ohne Umweg zur Wasserstelle

(31.08.2017) Pfeilgiftfrösche sind bekannt für ihre elterliche Fürsorge. Sie legen ihre Eier an Land, und transportieren ihre Kaulquappen nach dem Schlüpfen auf dem Rücken ins Wasser, damit sie sich dort weiterentwickeln können.

Dies ist keine leichte Aufgabe, da passende Gewässer oft weit im Regenwald verstreut sind. Ein Forschungsteam der Departments für Kognitionsbiologie und Integrative Zoologie der Universität Wien um Kristina Beck hat Pfeilgiftfrösche beim Transport der Kaulquappen begleitet, indem sie die Tiere mit einem Sender in einer "Unterhose" ausstatteten.


Frosch mit Kaulquappen auf dem Rücken und mit "Unterhose", welche zur späteren Ortung dient

Dabei fanden die WissenschafterInnen heraus, dass die Frösche ein gutes räumliches Gedächtnis haben: Sie bewegen sich auf erstaunlich direktem Weg auch zu weit entfernten Wasserstellen.

Während der Brutsaison in Französisch-Guyana haben es die Männchen der Pfeilgiftfroschart Allobates femoralis nicht leicht: Sie verteidigen ihr Territorium gegen Eindringlinge, versuchen sich mit möglichst vielen Weibchen zu paaren und müssen sich auch noch um den Nachwuchs kümmern.

Wenn die Männchen ihre Kaulquappen zu Kleinstgewässern transportieren, legen sie dabei oft weite Strecken bis zu 200 Meter zurück, denn passende Wasserstellen sind schwer auffindbar und verstreut.

Wie also finden die nur zwei Zentimeter großen Tiere gute Brutplätze in der komplexen Umgebung des Regenwalds?

Die Biologin Kristina Beck, mittlerweile PhD-Studentin am Max Planck Institut für Ornithologie in Deutschland, formulierte für ihre Studie an der Universität Wien folgende Hypothese: Wenn die Frösche schon einmal auf dem Weg sind, wäre es denkbar, dass diese während oder nach dem Kaulquappentransport den Hin- und Rückweg nutzen, um die Umgebung zu erkunden.


Kristina Beck mit jenem Gerät, welches die Ortung der Frösche mittels Radiowellen ermöglicht

Um das zu überprüfen, stattete das Forschungsteam Frösche, die bereits Kaulquappen auf ihrem Rücken trugen, mit kleinen "Unterhosen" aus, welche die Ortung durch Radiowellen ermöglichte.

Damit konnten die BiologInnen die Amphibien auf ihrem Weg durch den Regenwald verfolgen. "Zusätzlich versuchten wir, die Tiere auch zum Suchen von neuen Brutplätzen zu animieren, indem wir einige der künstlich bereitgestellten Wasserstellen entfernten, die sie davor zum Ablegen der Kaulquappen benutzt hatten", erklärt die Erstautorin der Studie.

Die Telemetriedaten zeigten jedoch, dass sich alle Frösche auf sehr direktem Weg zu den Wasserstellen und wieder zurück zu ihren Territorien bewegten. Mit der gleichen Geradlinigkeit wanderten einige auch zu jenen Plätzen, an denen zu Beginn der Studie künstliche Pools entfernt wurden.

"Diese Beobachtungen beweisen, dass die Frösche bei der Suche nach Wasserstellen ihr räumliches Erinnerungsvermögen nutzen", so die Biologin. Die ForscherInnen fanden jedoch im Verhalten der Tiere keinen Hinweis, der auf das Suchen neuer Brutplätze hingedeutet hätte. Auch das Entfernen einiger bekannter Wasserstellen änderte dabei nichts an deren Verhalten.

"Wir haben sogar Frösche beobachtet, die wiederholt zur selben Stelle liefen, an der sich zuvor ein Pool befunden hatte", erzählt Beck. Die Frösche scheinen also ihre Information über verfügbare Brutplätze nicht zu aktualisieren.

"Wir vermuten, dass die Suche nach neuen Wasserstellen während der Brutsaison zu aufwändig für die Männchen ist, da sie ihr Territorium verlieren oder die Chancen auf zusätzliche Paarungen verpassen könnten.

Sie agieren gemäß einem Kosten-Nutzen-Verhältnis", so Beck. Wann und wie die Frösche Information über geeignete Wasserstellen sammeln, bleibt somit weiterhin ein Rätsel. Beck: "Möglich wäre, dass dies bereits während der Jugendphase der Frösche stattfindet". 

Publikation

Beck, K.B., Loretto, M.-C., Ringler, M., Hödl, W. & Pašukonis, A. (2017). Relying on known or exploring for new? Movement patterns and reproductive resource use in a tadpole-transporting frog. PeerJ, 5: e3745
Doi: 10.7717/peerj.3745
https://peerj.com/articles/3745/



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