Schildpatt für Touristen: Echte Karettschildkröte ist akut vom Aussterben bedroht

(23.05.2017) Eine aktuelle Studie in neun lateinamerikanischen Ländern hat ergeben: Noch immer wird reger Handel mit illegalen Produkten aus Schildpatt betrieben. Die Echte Karettschildkröte ist dadurch akut vom Aussterben bedroht.

Im Zuge der aktuellen Studie der Initiative Too Rare to Wear haben Artenschützer hunderte Händler und Geschäfte für Urlaubssouvenirs in neun Ländern Lateinamerikas besucht.

In acht der neun Länder fanden sie Produkte aus Schildpatt, also aus dem Panzer der Echten Karettschildkröte, offen zum Verkauf angeboten – obwohl deren Handel durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) international verboten ist. Knapp ein Drittel der besuchten Geschäfte führte Schildpattprodukte, vornehmlich für Touristen, im Sortiment.


Echte Karettschildkröte

Too Rare to Wear ist eine Initiative von über 50 Naturschutzorganisationen, darunter auch die Aktionsgemeinschaft Artenschutz (AGA) e.V., Reiseanbietern und weiteren Partnern.

„Das Thema Schildpatt liegt uns besonders am Herzen, denn mit dem Schutz der Meeresschildkröten hat die Arbeit der AGA vor mehr als 30 Jahren angefangen“, erklärt Birgit Braun, Dipl.-Biologin und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der AGA.

„Damals hat die AGA gemeinsam mit engagierten Partnern erreicht, dass Schildpatt und andere Produkte aus den bedrohten Meeresreptilien in Deutschland nicht mehr angeboten werden. Es ist erschreckend, wie viele Schildpattprodukte noch immer in Lateinamerika angeboten und von Touristen gekauft werden.“

Über vier Monate hinweg, zwischen Dezember 2016 und März 2017, besuchten Mitarbeiter der Initiative insgesamt 687 fliegende Händler und Souvenirgeschäfte in ausgesuchten Touristenzielen.

In Nicaragua, Honduras, El Salvador, Costa Rica, Panama, Kolumbien und auf Cuba und Grenada entdeckten sie Schildpattprodukte im Angebot der Händler, insgesamt in 221 Fällen.

Einzig in Belize wurden sie nicht fündig. Unrühmlicher Spitzenreiter ist Nicaragua: 69 Prozent aller besuchten Geschäfte führten Souvenirs aus Schildpatt, allein 7.000 Einzelstücke wurden in dem mittelamerikanischen Land gesichtet.

Es folgen Honduras mit 60 Prozent und Kuba mit 47 Prozent. Verkauft wurden einfache Ringe für weniger als einen US-Dollar, aber auch ganze Schildkrötenpanzer und aufwändig geschnitzte Kämme zum Preis von über 200 Dollar.

Der Gesamtwert der 11.000 gefundenen Objekte wird auf mindestens 50.000 US-Dollar geschätzt.

Die Echte Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata) zählt mit einem Gewicht von bis zu 75 Kilogramm zu den kleineren Vertretern der sieben Arten von Meeresschildkröten, hat aber den schönsten Panzer. Seit Jahrhunderten wird sie deswegen gejagt. Aus dem sogenannten Schildpatt werden Schmuckstücke, Kämme, Brillengestelle oder sonstige dekorative Objekte gefertigt.

Der Bestand der Echten Karettschildkröte ist weltweit dramatisch zurückgegangen; über das letzte Jahrhundert hinweg ist er um geschätzte 90 Prozent gesunken. Nur noch rund 15.000 geschlechtsreife Weibchen dieser Art werden in freier Wildbahn vermutet. Gezielt bejagt wird sie auch wegen ihrer Eier.

Jedoch macht der Schildkröte auch die zunehmende Bebauung ihrer Niststrände zu schaffen; Plastikmüll in den Meeren und Fischernetze, in denen sie als Beifang verenden, stellen weitere Gefahren dar.

Laut der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN wird die Echte Karettschildkröte als „vom Aussterben bedroht“ klassifiziert. Ein Verschwinden der Echten Karettschildkröte hätte weitreichende Konsequenzen für marine Ökosysteme.

Das Tier lebt im offenen Ozean, in Flussmündungen und Mangrovensümpfen tropischer und subtropischer Regionen, hauptsächlich jedoch in flachen Korallenriffen. Dort ist ihre Ernährung auf Schwämme spezialisiert. Wird deren Wachstum nicht kontrolliert, können die vielzelligen Tiere ganze Riffe überwuchern und lebende Korallen verdrängen.

Als Maßnahmen zum verbesserten Schutz der Reptilien empfiehlt die Too Rare to Wear-Initiative eine massive Aufklärungskampagne, um sowohl unter Einheimischen als auch Touristen das Bewusstsein für die bedrohliche Lage der Meeresschildkröten zu schärfen.

„Hier kommt wieder die AGA ins Spiel, denn auch zahlreiche Touristen aus Deutschland bereisen die Heimat der Echten Karettschildkröte“, erläutert Birgit Braun,

„Um den Reisenden eine Hilfestellung zu geben, hat die AGA einen Souvenir-Ratgeber und eine Schildpatt-Bestimmungshilfe veröffentlicht.“

Diese stehen Urlaubern auf der Internetseite www.aga-artenschutz.de kostenlos zur Verfügung und kann sie vor bösen Überraschungen auf der Rückreise bewahren: Denn der Zoll erhebt empfindliche Strafen von bis zu mehreren Hundert Euro auf illegal eingeführte tierische oder pflanzliche Produkte.



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