Spinnenseide zur Heilung von Knochen und Knorpel

(13.03.2020) Zur Therapie von umfangreicheren Knochenbrüchen, Osteoporose und Tumoren suchen Ärzte Ersatzmaterial. Anna Bartz, Doktorandin in der Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Bonn, verfolgt einen innovativen Ansatz.

Mit Spinnenseide plant sie, Knochenersatzzellen zu stabilisieren und an den gewünschten Ort für die Heilung zu implantieren. Mit einer Crowdfunding-Kampagne möchte sie ihr Forschungsprojekt teilweise finanzieren.

Die Spenden sollen zur Deckung der Material- und Laborkosten dienen. Interessierte können sich unter www.startnext.com/spinnenseide2 informieren.


Die Seidenspinne Nephila senegalensis im Aquazoo Löbbecke Museum Düsseldorf auf der Hand von Anna Bartz vom Universitätsklinikum Bonn.

Gewebeverluste jeglicher Art zum Beispiel nach einem Unfall, nach Operationen oder Tumorbehandlungen stellen in der Chirurgie eine große Herausforderung dar, weil eine natürliche Heilung größerer Knochendefekte nur langsam und begrenzt möglich ist.

„Neugebildetes Narbengewebe wird zudem funktionell nicht oder nur eingeschränkt den Ansprüchen des ursprünglichen Knochengewebes gerecht“, sagt Anna Bartz, Doktorandin in der Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Bonn.

Ziel ihres Forschungsprojektes ist es, eine optimale Trägerstruktur für die Geweberekonstruktion von Knorpel und Knochen unter Einsatz verschiedener Biomaterialien wie zum Beispiel Spinnenseide zu entwickeln.

„Im Anschluss soll das gewonnene Ersatzmaterial auf Grundlage der Forschungsergebnisse im klinischen Umfeld getestet werden“, sagt Dr. Frank Schildberg, Forschungsleiter der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie.

Zugfester als Stahl und ultraleicht

Obwohl die Spinnenseide größtenteils nur aus zwei Proteinen besteht, verfügt sie über besondere Eigenschaften: Sie ist chemisch äußerst stabil, elastisch und sehr robust, ultraleicht und sogar zugfester als Stahl. „Diese Eigenschaften machen sie als Matrix für den Zellaufbau von Knorpel- beziehungsweise Knochenersatzmaterial besonders interessant“, sagt Bartz.

Die Wissenschaftler planen, aus Mesenchymalen Stromazellen, die vor allem in Knochen vorkommen und über ein großes Regenerationspotenzial verfügen, Ersatzzellen zu gewinnen und zu vermehren.

Die Seide zum Beispiel der Goldenen Radnetzspinne (Nephila) soll als Trägersubstanz für die Zellen dienen. „Dies hat gegenüber herkömmlichen Transplantationsverfahren den Vorteil, dass durch die Spinnenseide die Anhaftung des Materials am Knochen erleichtert wird und eine Lockerung des Implantationsmaterials nicht zu erwarten ist“, führt Bartz aus.

Aufgrund der antibakteriellen Wirkung der Spinnenseide könnten Implantatinfektionen zumindest verringert werden. Dies sei insbesondere für Patienten mit Wundheilungsstörungen von Bedeutung. „Bis das Knochenersatzmaterial im klinischen Alltag eingesetzt werden kann, wird es allerdings noch etwa 15 bis 20 Jahre dauern“, schätzt Bartz.

Projektpartner ziehen an einem Strang

Kooperationspartner des Projektes sind das Aquazoo Löbbecke Museum in Düsseldorf und der Tierpark + Fossilium Bochum für die Gewinnung von Spinnenseiden. Das Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn stellt ein Rasterelektronenmikroskop für die Analyse der Seidenqualität zur Verfügung.

Die Universitäts-Zahnklinik in Bonn ist an der Herstellung von Spinnenseide-Webrahmengerüsten beteiligt.

Teilfinanzierung über Crowdfunding

Bei dem Vorhaben handelt sich um eine experimentelle Doktorarbeit, deren Ergebnisse offen sind. Die Wissenschaftler haben eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben gerufen. Die Spenden sollen zur Deckung der Material- und Laborkosten des auf drei Jahre angelegten Forschungsprojektes dienen. Insgesamt sind dafür 32.000 Euro veranschlagt.

Weitere Informationen unter www.startnext.com/spinnenseide2


Weitere Meldungen

Larven von Köcherfliegen; Bildquelle: Wikimedia Commons, Bob Henricks, Lizenz CC BY-SA 2.0


Gen zur Seidenproduktion bei Spinnen zeigt individuelle Strukturen

Wo genau im Erbgut der Tiere die Fähigkeit verankert ist, unterschiedliche Beschaffenheiten von Seide zu bilden, und wie sich diese im Detail im Laufe der Evolution entwickelt hat, ist bisher kaum erforscht
Weiterlesen

Spinnenart Ocrepeira klamt; Bildquelle: Charlotte Hopfe.

Forscherin der Universität Bayreuth entdeckt neue Spinnenart

Im Hochland von Kolumbien hat Charlotte Hopfe während eines Forschungsaufenthalts im Rahmen ihrer Promotion zum Thema „Spinnenseide“ eine neue Spinnenart entdeckt und zoologisch beschrieben
Weiterlesen

Prof. Dr.-Ing. Gregor Lang bei der rasterelektronenmikroskopischen Betrachtung der Materialoberflächen.; Bildquelle: UBT / Christian Wißler

Infektionen verhindern, Heilungsprozesse fördern: Biomaterialien aus Spinnenseide

Neue, an der Universität Bayreuth entwickelte Biomaterialien beseitigen Infektionsrisiken und fördern Heilungsprozesse
Weiterlesen

Spinnennetz, überlagert mit der Strukturoberfläche der Domänen eines Spinnenseidenproteins. Die Methionin-Seitenketten sind als farbige Stäbchen hervorgehoben.; Bildquelle: pixabay.com / Collage: Hannes Neuweiler

Spinnenseide: Ein verformbares Protein liefert Verstärkung

Wissenschaftler der Universität Würzburg haben herausgefunden, dass Spinnenseide ein außergewöhnliches Protein enthält
Weiterlesen

Universität Greifswald

Australische Spinnenart produziert extrem elastische Fangnetze

Fangnetze zu bauen. Ein Wissenschaftler der Universität Greifswald hat zusammen mit Forschenden aus den USA, Taiwan und Argentinien den Aufbau und die Eigenschaften der Spinnfäden einer australischen Spinnenart genauer untersucht
Weiterlesen

Abbildung eines Spidroins, bestehend aus einer verknüpften C-terminalen Domäne (cyan), der entfalteten mittleren Domäne (weiße Linie) und den N-terminalen Domänen (grün), neben dem Schema; Bildquelle: Hannes Neuweiler

Molekulare Einblicke in Spinnenseide

Spinnenseide ist eine der stärksten Fasern der Natur und verfügt über etliche verblüffende Eigenschaften. Wissenschaftler der Universität Würzburg haben jetzt neue Details ihres Aufbaus entschlüsselt
Weiterlesen

Zart und zäh zugleich: Spinnenseide. Raffinierte Hierarchie und Ordnung auf verschiedensten Längenskalen; Bildquelle: Markus Anton und Periklis Papadopoulos/Universität Leipzig und Max-Planck-Institut für Polymerforschung Mainz

Zart und dennoch robust: Neue Erkenntnisse über Spinnenseide gewonnen

Physiker der Universität Leipzig haben gemeinsam mit ausländischen Partnern bei Experimenten mit Laserstrahlen völlig neue Erkenntnisse über die Beschaffenheit von Spinnenseide gewonnen
Weiterlesen

Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Ultraschnelle Dynamik bei der Entstehung von Spinnenseide

Rein technisch funktioniert die Herstellung von Spinnenseide zwar schon ziemlich gut, aber die herausragenden mechanischen Eigenschaften des natürlichen Vorbilds werden damit bisher noch nicht erreicht
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen