Binnenfischerei als Nahrungsquelle weltweit stark unterschätzt

(19.12.2016) Zu dieser Einschätzung kommt ein internationales Team von Wissenschaftlern unter Beteiligung von Prof. Dr. Robert Arlinghaus von der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB).

„Zwar haben die Vereinten Nationen in ihren Zielen nachhaltiger Entwicklung die Süßwasser-Ökosysteme berücksichtigt. Aber die Binnenfischerei taucht als Begriff dort nicht auf. Dabei ist sie unmittelbar mit Zielen wie Nahrungssicherheit, Einkommen und Gesundheit verknüpft“, sagt Fischereiprofessor Robert Arlinghaus.


Dieser Hecht ist mal ein prachtvoller Fang.

Während die Überfischung der Weltmeere allgegenwärtiges Medienthema ist, wird die große soziale Relevanz der Fangfischerei und Aquakultur im Süßwasser oft übersehen: Nur 0,01 Prozent des weltweiten Wassers ist Süßwasser, trotzdem machen Binnenfischerei und Süßwasser-Aquakultur rund 40 Prozent der bei der Welternährungsorganisation dokumentierten globalen Fischproduktion aus.

Allein in den Entwicklungsländern liefert die Fangfischerei in Süßwassergewässern Einkommen für rund 60 Millionen Menschen, als lokaler und regionaler Nahrungslieferant sogar für mehrere Hundert Millionen Menschen.

Darüber hinaus gibt es weltweit rund 220 Millionen Hobbyangler, für die selbstgefangene Süßwasserfische einen wichtigen Beitrag zur Selbstversorgung mit tierischen Proteinen leisten.

Diese Zahlen unterstreichen die unterschätzte Rolle der Binnenfischerei für die globale Ernährungssicherung, gerade in Entwicklungsländern. Der größte Anteil des Fangfischereiertrags aus dem Süßwasser basiert auf kleinskaliger, wenig motorisierter Binnenfischerei.

„Die Binnenfischerei liefert das nachhaltigste tierische Protein überhaupt. Der Süßwasserfischertrag lässt sich durch keine andere tierische Nahrung mit gleichem ökologischem Fußabdruck ersetzen – alle Varianten wie die Geflügelhaltung oder die Rinderzucht bräuchten mehr Energie und Wasser und führten zu schädlichen Emissionen.

Selbst die Aquakultur kann Nachhaltigkeitsvorteile der Fangfischerei nicht übertreffen“, sagt Professor Robert Arlinghaus.

Deshalb müsse die geringgeschätzte soziale, kulturelle und wirtschaftliche Relevanz der Binnenfischerei national und international stärker hervorgehoben und besser in regionale und nationale politische Entscheidungs- und Strategieprozesse rund um das Wasser- und Gewässermanagement integriert werden. Zudem sind die Forschungskapazitäten zur Binnenfischerei auszubauen.

Gegenwärtig kann durch den vor allem in Mitteleuropa zu beobachtenden Abbau akademischer Kompetenz zur Binnenfischerei der hohe Bedarf an praxisorientierter Expertise zur Entwicklung des Sektors nur noch eingeschränkt abgedeckt werden.

Darunter leiden die stummen Süßwasserfische und Binnenfischer und Angler gleichermaßen.

Publikation

Cooke, S.J., E.H. Allison, T.D. Beard, R. Arlinghaus, A.H. Arthington, D.M. Bartley, I.G. Cowx, C. Fuentevilla, N. J. Leonard, K. Lorenzen, A.J. Lynch, V.M. Nguyen, S.-J. Youn, W.W. Taylor and R.L. Welcomme. 2016. On the sustainability of inland fisheries: Finding a future for the forgotten. Ambio, doi:10.1007/s13280-016-0787-4



Weitere Meldungen

Alfred-Wegener-Institut

Weniger Meereis, mehr Hering

Noch überziehen sich die Meere der Polargebiete jedes Jahr für Wochen oder Monate mit einem gefrorenen Panzer. Doch der Klimawandel lässt dieses Meereis zunehmend schwinden
Weiterlesen

Dorsche ; Bildquelle: Jan Dierking, GEOMAR

Was der Fischer davon hat, die Evolution des Kabeljaus zurückzudrehen

Überfischung und Übernutzung der Meere haben bei Fischbeständen wie dem Kabeljau zu evolutionären Veränderungen geführt
Weiterlesen

University of Gothenburg

Überfischung des Ostseeheringes bereits im 13. Jahrhundert

Moderne DNA-Technologie in Kombination mit archäologischen Funden zeigt, dass Heringe aus der Ostsee bereits im 9. Jahrhundert über große Entfernungen gehandelt wurden
Weiterlesen

Schleppnetzkutter im Hafen Sassnitz; Bildquelle: Heike Schwermer, CeOS/Uni Kiel

Projekt SpaCeParti: Nachhaltige Zukunft für Ostsee-Küstenfischerei

In der westlichen Ostsee ist die Küstenfischerei eng mit der wirtschaftlichen Entwicklung von Küstengemeinden und den Auswirkungen des Klimawandels mit dem zunehmenden Verlust von Biodiversität verknüpft
Weiterlesen

Der herbstlaichende Ostseehering kollabierte bereits zum Beginn der frühen Neuzeit als Folge von negativen Umwelteinflüssen und Überfischung; Bildquelle: Aquarium GEOMAR, Jan Steffen

Klimaveränderungen und Überfischung dezimierten Ostseehering lange vor der Industrialisierung

Historische Quellen zeigen, dass die Überfischung des Ostseeherings schon vor rund 500 Jahren begann und bis heute nachwirkt
Weiterlesen

Universität Bern

Hitzewellen im Meer haben drastische Folgen für Fischerei

Marine Hitzewellen in stark befischten Gewässern werden in Zukunft negative Auswirkungen haben für die Fischbestände, den Fischfang und alle Menschen, die davon abhängig sind
Weiterlesen

Der Schwarmfischfänger 'Kristin' beim Einlaufen in den Rostocker Fischereihafen.; Bildquelle: Thünen-Institut/Annemarie Schütz

Ostseesprotten-Survey: Erfolgreiche Kooperation zwischen Fischerei und Forschung

Erste Forschungsreise in die Ostsee mit einem deutschen kommerziellen Fangschiff erfolgreich beendet
Weiterlesen

IGB

Die Fischerei fördert kleine, scheue Fische

Über die Fischerei werden vor allem größere und aktivere Fische aus Populationen herausgefangen. Damit wirkt das Fischen als Selektionsfaktor, der scheue Fische bevorteilt
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen