Fisch-Taxonomie: Studie zu Gehörsteinchen

(18.11.2014) Die erste umfassende Studie zu Gehörsteinchen bei afrikanischen Prachtgrundkärpflingen liefert wertvolle Informationen für die Identifikation fossiler Überreste der Fische und hilft, deren Evolutionsgeschichte nachzuvollziehen.

In der afrikanischen Regenzeit erwachen die Prachtgrundkärpflinge zum Leben: Die kleinen farbenfrohen Fische überdauern Trockenzeiten als Larven und entwickeln sich in temporären Tümpeln zu ausgewachsenen Fischen. Dabei können in demselben Tümpel bis zu vier verschiedene Arten gleichzeitig vorkommen.

„Das ist ungewöhnlich, denn meistens besiedeln nicht mehrere sehr nahe verwandte Arten denselben kleinräumigen Lebensraum“, sagt die LMU-Paläontologin Bettina Reichenbacher. Diese seltene Häufung machte sich Reichenbacher nun zunutze, um mit ihrem Kollegen Martin Reichard (Tschechische Akademie der Wissenschaften) zu untersuchen, ob die verschiedenen Arten mithilfe ihrer Gehörsteinchen bestimmt werden können.

Identifikationshilfe für Fossilien und heutige Fische

Gehörsteinchen oder Otolithen sind im Innenohr liegende Gleichgewichtsorgane, die aus dem Mineral Aragonit sowie organischen Komponenten bestehen. Viele Fischarten besitzen charakteristisch geformte Otolithen, die ihre Identifikation ermöglichen.

Das ist besonders nützlich bei nah verwandten Arten, die sich ansonsten nur durch unterschiedliche Färbung unterscheiden. Weil Otolithen außerdem im Vergleich zum restlichen Fischskelett besonders gut erhalten bleiben, spielen sie in der Paläontologie eine große Rolle für die Erforschung der Biodiversität und Evolutionsgeschichte der modernen Knochenfische.

Die Paläontologie-Professorin Reichenbacher widmete sich nun den Otolithen heute lebender Prachtgrundkärpflinge, um eine Forschungslücke zu schließen: „Von Prachtgrundkärpflingen wurden bisher noch nie Fossilien beschrieben“, sagt Reichenbacher, „möglicherweise liegt dies auch daran, dass es noch keine Studien zu den Otolithen heutiger Prachtgrundkärpflinge gibt.

Diese Wissenslücke könnte die Ursache dafür sein, dass fossile Reste von Prachtgrundkärpflingen möglicherweise einfach nicht als solche erkannt wurden“.

Charakteristische Formen trotz Umwelteinfluss

Otolithen werden in gewissem Ausmaß auch von der Umwelt beeinflusst: Dabei spielen etwa Strömungen, die Temperatur und das Nahrungsangebot eine Rolle. Das ist einerseits sehr interessant, weil fossile und rezente Otolithen dadurch auch Rückschlüsse auf die Lebensumstände der Fische zulassen.

Andererseits müssen diese Umweltfaktoren berücksichtigt werden, wenn man Otolithen zur Identifikation und zur Analyse der Verwandtschaftsverhältnisse verschiedener Arten benutzt.

„Wir konnten nun zeigen, dass sich die Otolithen verschiedener ostafrikanischer Prachtgrundkärpfling-Arten deutlich unterscheiden, auch wenn die Fische aus demselben Tümpel kommen.

Die genetisch festgelegten Unterschiede wirken sich also stärker aus als die gemeinsame Umgebung“, sagt Reichenbacher.

Mit ihrer Arbeit legten die Wissenschaftler den Grundstein, um die faszinierenden Prachtgrundkärpflinge anhand ihrer Otolithen zu klassifizieren und ihre Evolutionsgeschichte nachzuvollziehen.

Dies ist für die Wissenschaft umso wertvoller, weil Prachtgrundkärpflinge ein wichtiger Modellorganismus etwa für die Erforschung von Alterungsprozessen sind.

Und möglicherweise werden bald auch fossile Vorfahren der heutigen Fische ans Licht kommen: Reichenbacher will ihre neuen Erkenntnisse für die Untersuchung spanischer Fossilien nutzen, unter denen sie auch rund sechs Millionen Jahre alte Reste von Prachtgrundkärpflingen vermutet.
PLOS ONE 2014 göd

Publikation

Otoliths of five extant species of the annual killifish Nothobranchius from the East African savannah
Bettina Reichenbacher, Martin Reichard
PLOS ONE 2014



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