Warum Fische rote Signale im türkis-blauen Meer aussenden

(24.11.2016) Tübinger Biologen entschlüsseln die Bedeutung von Fluoreszenz in der farbarmen Wassertiefe

Die Farbenpracht der Bewohner tropischer Korallenriffe ist zwar faszinierend – jedoch überwiegend ein Kunstprodukt fotografischer Aufnahmen mit Blitzlicht.

Wasser filtert Gelb-, Orange- und Rottöne effizient aus dem Sonnenlicht heraus. Bereits ab Tiefen größer als zehn Meter sind sie nicht mehr wahrnehmbar.

Die rot fluoreszierenden Augenringe zahlreicher Planktonfresser wie dieser Grundel erhöhen nach Ansicht der Forscher die Chance, kleine transparente Beutetiere im Plankton zu entdecken.; Bildquelle: Nico K. Michiels/Universität Tübingen
Die rot fluoreszierenden Augenringe zahlreicher Planktonfresser wie dieser Grundel erhöhen nach Ansicht der Forscher die Chance, kleine transparente Beutetiere im Plankton zu entdecken.

Daher erscheinen Meeresbewohner unter natürlichen Bedingungen meist einheitlich blaugrau. Manche Fische benutzen jedoch einen Trick, um auch in dieser Umgebung rotes Licht lokal zu erzeugen.

Dabei nehmen fluoreszierende Farbzellen das blaue Umgebungslicht auf und senden es als rotes Licht wieder aus.

Mit einer in der Zeitschrift Frontiers in Ecology and Evolution veröffentlichten Studie erlangten Biologen des Instituts für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen unter der Leitung von Professor Nico Michiels nun erste Einblicke in die ökologische Bedeutung dieses Mechanismus.

Mehr als 600 verschiedene Fischarten haben die Autoren auf die Fähigkeit, rote Fluoreszenz zu erzeugen, überprüft.

Durch einen Abgleich mit der Ökologie dieser Fische kristallisieren sich drei wesentliche Funktionen heraus. Räuber wie etwa Skorpions- oder Plattfische geben unregelmäßig über den Körper verteilte Fluoreszenzsignale ab.

„Vor einem Substrat mit zahlreichen ebenfalls fluoreszierenden Algen fallen diese Ansitzjäger weniger auf und verbessern ihre Tarnung“, vermutet der Erstautor Dr. Nils Anthes.

Bei den Plankton-fressenden Riffbarschen oder Grundeln dagegen dominiert rote Fluoreszenz rund um das Auge.

Nico Michiels bringt dies mit dem Nahrungserwerb in Verbindung: „Die rote Lichtquelle kann die Augen von winzig kleinen und meist transparenten Beutetieren aufleuchten lassen und damit deren Position verraten.“

Dieser bisher völlig unbekannte Mechanismus ist vergleichbar der Echoortung bei Fledermäusen und Gegenstand laufender experimenteller Forschungsarbeiten der Gruppe.

Schließlich weisen die Befunde der roten Fluoreszenz auch bei der Partnerwahl eine Bedeutung zu. Fischarten mit unterschiedlicher Färbung der Geschlechter zeigten überproportional häufig rot fluoreszierende Flossen. Die Flossen werden als wichtiges Signal in vielen Balzritualen eingesetzt.

Die Forscher gehen davon aus, dass durch rote Fluoreszenz Signale verstärkt oder neu erzeugt werden können, die von den wählerischen Weibchen bevorzugt werden beziehungsweise eine besonders gute genetische Kondition des Männchens anzeigen.

Die Studie wirft ein neues Licht auf die Kommunikation unter Wasser. „Die bislang dominierende Annahme, dass rotes Licht dort keine Rolle spielt, muss nach den neuen Forschungsergebnissen verworfen werden“, sagt Anthes.

Offenbar hätten Fische im Laufe der Evolution eine ganze Trickkiste entwickelt, um die in ihrer Umwelt deutlich reduzierte Farbpalette aus eigener Kraft zu erweitern. Deren Nutzen sind die Tübinger Forscher nun in weitergehenden Experimenten auf der Spur.

Publikation

Anthes, N., Theobald, J., Gerlach, T., Meadows, M.G. & Michiels, N.K. (2016) Diversity and Ecological Correlates of Red Fluorescence in Marine Fishes. Frontiers in Ecology and Evolution, 4, 126.
http://journal.frontiersin.org/article/10.3389/fevo.2016.00126/full



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