Wie antarktische Kraken in der Kälte überleben

(12.03.2015) Eine antarktische Kraken-Art nutzt eine einmalige Strategie, um im eiskalten Wasser zu überleben. Dies zeigt eine aktuelle Studie von Forschern des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), die jetzt im Open Access Fachmagazin „Frontiers in Zoology“ erscheint.

Die spezialisierten Blutpigmente des Kraken helfen laut der Studie dabei, dass die Art widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel ist als antarktische Fische oder andere antarktische Kraken.

Alfred-Wegener-Institut Im Antarktischen Ozean gibt es trotz unwirtlicher Temperaturen eine artenreiche und diverse Tierwelt. Die kalte Umgebung führt zwar dazu, dass Sauerstoff aufgrund langsamer Diffusion nur schwer in die Gewebe transportiert werden kann, allerdings enthält eiskaltes Wasser große Mengen physikalisch gelösten Sauerstoffs.

Antarktische Fische haben daher einen geringen Bedarf an aktiven, Sauerstoff transportierenden Pigmenten wie Hämoglobin. Bisher war jedoch wenig darüber bekannt, wie blaublütige Kraken ihre Sauerstoffversorgung der kalten Umgebung angepasst haben.

Der Erstautor Michael Oellermann vom AWI sagt: „Dies ist die erste Studie, die klare Hinweise darauf liefert, dass funktionelle Änderungen des blauen Blutpigments der Kraken (Hämocyanin) für eine bessere Sauerstoffversorgung der Gewebe bei Temperaturen unter 0 °C sorgen.

Dies ist wichtig, weil es eine ganz andere Antwort auf die kalte Umgebung des Südozeans im Vergleich zu antarktischen Fischen offenbart. Unsere Ergebnisse deuten außerdem darauf hin, dass die untersuchten Kraken mittels einer besseren Sauerstoffversorgung durch Hämocyanin bei höheren Temperaturen besser ausgestattet sind als die antarktischen Fische, um sich an eine Klimaerwärmung anzupassen.

Kraken haben drei Herzen und kontraktile Gefäße, die die Hämolymphe durch den Körper pumpen. Diese Blutflüssigkeit enthält das blaue Hämocyanin, das dem roten Blutfarbstoff Hämoglobin der Wirbeltiere entspricht.

Um herauszufinden, wodurch das Hämocyanin der antarktischen Krake so gut an kaltes Wasser angepasst ist, sammelten und untersuchten die Forscher Hämolymphe der in der Antarktis verbreiteten Art Pareledone charcoti sowie die zweier Krakenarten aus wärmeren Gewässern: des südostaustralischen Octopus pallidus und von Eledone moschata aus dem Mittelmeer.

Die antarktische Krake Pareledone charcoti hatte die höchste Konzentration von Hämocyanin im Blut. Mit mindestens 40 % mehr als die beiden Vergleichsarten bedeutet dies eine der höchsten je bei Kraken gefundenen Konzentration. Die hohe Konzentration an Blutpigmenten kompensiert die geringe Fähigkeit des Hämocyanins, bei geringen Temperaturen Sauerstoff abzugeben, berichten die Autoren. So werden die Gewebe ausreichend mit Sauerstoff versorgt.

Außerdem funktionierte der Sauerstoffaustausch zwischen Kiemen und Gewebe über das Hämocyanin der antarktischen Krake bei 10 °C viel besser als bei 0 °C. Das Hämocyanin dieser Tiere hatte bei 10 °C das Potential, mit 76,7 % viel mehr Sauerstoff abzugeben, als die Blutpigmente der Warmwasserarten Octopus pallidus mit 33,0 % und Eledone moschata mit 29,8 %.

Zusätzlich zur Kälteanpassung könnte dieser Mechanismus dafür nützlich sein, dass Pareledone charcoti höhere Temperaturen tolerieren kann – ein möglicher Link zur Lebensweise dieser Art, die auch in wärmerem Flachwasser und Gezeitentümpeln vorkommt.

In Anbetracht der starken Erwärmung rund um die Antarktische Halbinsel könnte Pareledone charcoti von der Kapazität profitieren, die Sauerstoffversorgung im Blut besser an variierende Temperarturbedingen anpassen zu können als andere Arten wie antarktische Fische.

Diese neuen Ergebnisse zeigen, wie das Blutpigment Hämocyanin die Sauerstoffversorgung sowohl in warmer als auch in eiskalter Umgebung gewährleistet. Diese Fähigkeit könnte ein Grund dafür sein, warum Kraken ein so weites Spektrum von Lebensräumen besiedeln.



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