Woran erkennt ein Fisch einen Artgenossen?

(16.11.2018) Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried zeigen, dass Zebrafische bereits einen virtuellen Punkt als Schwarmpartner erkennen - vorausgesetzt, der Punkt bewegt sich wie ein Fisch.

Wenn Vogel- oder auch Fischschwärme ihr anmutiges Ballett aufführen, scheint es fast unglaublich, dass die vielen Tiere nicht zusammenstoßen. Ein paar grundlegende Regeln sind mittlerweile bekannt, die dem entgegenwirken: „Ausweichen, wenn der Nachbar zu nahe kommt“ oder „Annähern, wenn der Nachbar zu weit weg ist“.

Max-Planck-Institut für Neurobiologie An welchen Merkmalen Tiere solch einen Nachbarn jedoch überhaupt als Artgenossen erkennen, ist weitgehend ungeklärt.

Form, Farbe, Gerüche, Laute und eine ganze Reihe anderer Faktoren könnten eine Rolle spielen. Lange gingen Biologen auch von einer Kombination verschiedener Merkmale aus, die ein „holistisches Bild“ eines Artgenossen zeichnen.

Nun zeigen Versuche mit Zebrafischen in virtueller Realität, dass bereits ein Fisch-ähnliches Bewegungsmuster einen Fisch überzeugt, dass er es mit einem Artgenossen zu tun hat.

Im Alter von 10 bis 20 Tagen beginnen junge Zebrafische, mit Artgenossen Schwärme zu bilden. Je größer die Gruppe, desto attraktiver ist sie. Um herauszufinden, welche optischen Reize die Fische nutzen um ihr Verhalten zu koordinieren, baute ihnen Johannes Larsch vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie eine virtuelle Umgebung.

Darin zeigte er freischwimmenden Zebrafischen eine Vielzahl möglicher, "digitalisierter" Schwarmpartner.

Diese Experimente zeigten, welche virtuellen Formen für Fische attraktiv sind, und welche sie kalt lassen. Überraschenderweise reichte ein einfacher schwarzer Punkt, um innerhalb weniger Sekunden ihr Interesse zu wecken – solange der Punkt auf eine definierte Weise animiert war.

Bewegte sich der Punkt wie ein Zebrafisch, also mit abwechselnden Schwimmbewegungen und Pausen, wurden andere Eigenschaften wie Form oder Farbe überflüssig.

Die jungen Fische folgten diesem Punkt unermüdlich über Stunden. Egal war dann auch, ob der Punkt auf die Bewegungen der Fische "reagierte", oder sich davon unabhängig bewegte.

„Der optische Auslöser für das Schwarmverhalten junger Zebrafische ist somit viel einfacher als bisher gedacht“, fasst Johannes Larsch zusammen. „So einfach, dass sich scheinbar komplexes Schwarmverhalten vielleicht eher aus eine Kette visueller Reflexe zusammensetzt.“

Da auch isoliert aufgewachsene Fische dem bewegten Punkt folgten, handelt es sich wohl um ein instinktives Verhalten. Die Tiere scheinen somit über ein angeborenes „mentales Konzept“ zu verfügen, wie ihre eigenen Bewegungen aussehen.

„Das ist ein interessanter Ansatzpunkt, denn das Erkennen von sozialen Signalen ist eine überlebenswichtige Leistung des Gehirns“, so Herwig Baier, in dessen Labor die Experimente durchgeführt wurden.

„Ein Defizit in diesen Prozessen spielt auch bei psychiatrischen Erkrankungen, wie Autismus und Schizophrenie, eine kritische Rolle, über die wir sehr wenig wissen."

Erstmals haben Wissenschaftler nun einen einfachen optischen Reiz entdeckt, der ein soziales Verhalten auslöst. Ideale Voraussetzungen also, um die darunterliegenden neuronalen und genetischen Mechanismen zu entschlüsseln.


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