Neue Methode zur Wiederbelebung von Almen mit Schafherden

(28.07.2014) Die ursprünglichen Almwiesen mit ihren Gräsern und Kräutern werden seit Jahrzehnten zunehmend von Büschen und Wäldern verdrängt. Die Natur verliert dadurch vielfältige Pflanzengemeinschaften und die Landwirtschaft wertvolles Weideland.

Dieser Prozess soll in Zukunft gebremst oder wenn möglich kleinregional sogar rückgängig gemacht werden. Ab dem Almsommer 2008 entwickelte eine Interessensgemeinschaft aus Ennstaler Landwirten und Wissenschaftlern des LFZ Raumberg-Gumpenstein am Hauser Kaibling in der Steiermark/Österreich ein dafür geeignetes Weideverfahren mit Schafen.

Ein Schäfer führt dabei bis zu 800 Schafe systematisch durch den Almsommer und besucht sowohl saftige Almwiesen als auch unerwünschte Zwergstrauchbestände.

Im langfristigen, sanften Verdrängungsverfahren lassen sich so Almen wieder als Nutzfläche beleben. Durch die Unterstützung der Seilbahn- und Pistenbetreiber am Hauser Kaibling, der regionalen Wirtschaft und Verwaltung konnte der Ansatz so nachhaltig umgesetzt werden, sodass das Almlammprojekt heute ein regionales Leitprojekt für die Marktgemeinde Haus im Ennstal darstellt.

Die Ursprünge der Bemühung um ein angepasstes Weidemodell, so Ökonomierat Walter Schmiedhofer, ehem. Obmann des Steirischen Schaf- und Ziegenzuchtverband, liegen in der Vielfalt der Probleme, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben. Da die nutzbare Weidefläche vor Ort zunehmend kleiner wurde und eine direkte vor Ort Betreuung der Tiere durch den Besitzer nicht möglich war, stieg der Bewegungsradius der Herde.

Dies führte in Folge zu Nutzungskonflikten mit benachbarten Almen und anderen Nutzern der Almregion. Zusätzliche förderungsspezifische Nachweise und die möglichen Probleme mit natürlichen Beutegreifern führten zum Entschluss einer gemeinschaftlich organisierten Almbeweidung mit ständiger Herdenbegleitung durch einen Schäfer.

Heute sind die Nutzungskonflikte weitgehend gelöst und die Almfläche vergrößert sich wieder langsam. Zusätzlich wird mit dem Almlamm ein Produkt der Premiumklasse erzeugt. Besonderen Anteil an diesem Erfolg haben die Schäfer Martin Winz, Georg Resch mit seiner Frau Brigitte Sindler-Resch und Simon Winterling.

Direktor Dr. Anton Hausleitner vom LFZ-Raumberg-Gumpenstein begrüßt die Möglichkeit zur Zusammenarbeit von Forschung und Praxis im ländlichen Raum. Wissenschaftliches Arbeiten kann sowohl die Entwicklung eigener Methoden als auch die Begleitung praktisch orientierter Projektwerber bedeuten.

Diese Zusammenarbeit stellt hohe Anforderungen an die Kommunikation zwischen allen beteiligten Gruppen, lohnt sich aber für alle, da wissenschaftlich gesicherte Ergebnisse zu klaren Zukunftsentscheidungen führen.

Diese Ergebnisse stellt Dr. Ferdinand Ringdorfer, Projektleiter des LFZ Raumberg-Gumpenstein, in Folge vor. In den vergangenen 6 Projektjahren wurden rund 5.000 Schafe und Lämmer auf die Weidegebiete des Hauser Kaibling getrieben.

Diese Tiere haben in Summe rund 4 Millionen kg Futter gefressen. Auf den intensiv beweideten Flächen hat sich der Zwergsträucheranteil von anfänglich rund 30% auf 5% reduziert, die Gräser und Kräuter nahmen im Gegenzug von ursprünglich 40% auf 65% zu. Ohne Beweidung stieg im gleichen Zeitraum der Anteil Zwergsträucher von 30% auf 70%.

Auch der Futterertrag konnte um 30% verbessert werden. Die Leistungen der Lämmer, gemessen in den Tageszunahmen lagen in einem Bereich zwischen 90 und 210 Gramm.

Werden die Schafe gehütet, dann sind die Zunahmen niedriger als wenn sich die Schafe frei bewegen können. Almlämmer haben im Vergleich zu Lämmern aus der Stallhaltung nicht so vollfleischig ausgeprägte Schlachtkörper, dafür ist die innere Qualität der Almlämmer besser. Damit ist gemeint, dass der Anteil an wertvollen Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren) bei Almlämmern höher ist als bei Mastlämmern aus dem Stall. Ökonomisch erzielt die landwirtschaftliche Seite die schwächsten Erfolge. Begleitendes Beweiden löst zwar die Nutzungskonflikte, führt aber zu hohen Personalkosten.

Wirtschaftlich gelingen deshalb solche Gemeinschaftsprojekte nur dann, wenn sich alle Partner mit indirekten ökonomischen Zugewinnen auch direkt an den Zahlungen beteiligen.
Arthur Moser, Geschäftsführer des Skigebietes Hauser Kaibling, berichtet in seinen Ausführungen über die positiven Entwicklungen, die sich durch die Beweidung der Pistenflächen mit einer Schafherde ergeben haben.

Sowohl auf den ursprünglichen Weideflächen als auch auf neu angelegten Pisten haben die Schafe zu einer Verbesserung der Vegetation beigetragen. Dieser Erfolg beruht auf der mechanischen Bodenverdichtung durch die Klauen und durch die zusätzliche Düngung mit natürlichem Schafmist. Gut entwickelte Pflanzen können den Boden besser gegen Erosionsgefahren schützen.

Dieser Aspekt hat im Hochgebirge besondere Bedeutung! Erfreulich ist auch die Reduktion der maschinellen Pflegekosten im Sommer, die um rund 50% gesunken sind. Man wird sich deshalb auch in Zukunft gerne der natürlichen, leichtgewichtigen Rasenmäher „Schaf“ bedienen und freut sich auf eine Zusammenarbeit in den nächsten Jahren.

Gerhard Schütter, Bürgermeister der Marktgemeinde Haus im Ennstal berichtet über seine Erfahrung mit dem Projekt. Die Gemeinde Haus im Ennstal ist großer Grundbesitzer am Hauser Kaibling und freut sich über die positive Entwicklung bei der Offenhaltung der Kulturlandschaft. Vor allem aber herrscht große Freude über die gute Positionierung des Themas Schaf im Sommertourismus. Als Erlebnisweg des sanften Tourismus dient der Schafsinn-Rundwanderweg am Hauser Kaibling, das Almlammfest lockt zusätzlich bis zu 4.000 Besucher in die Gemeinde.

Erfreulich auch die Innenwirkung: Im Kindergarten und der Volksschule dient das Schaf als Lernobjekt mit breit gefächertem Themenkatalog „Rund ums Schaf“. Bei der gesamten Gruppe der Projektpartner hat sich außerdem ein sehr freundschaftliches Miteinander entwickelt, keine Selbstverständlichkeit in unserer Zeit.

Abschließend ordnet DI Georg Zöhrer, Leiter der Abteilung Land- und Forstwirtschaft des Landes Steiermark das Projekt in die gegenwärtige Entwicklung ein. Die Flächen der reinen Almen gingen in der Steiermark in den letzten fünf Jahrzehnten um ca. 20 Prozent zurück, die Summe der insgesamt extensiv bewirtschafteten Flächen sogar um mehr als 40 Prozent. Diese dramatische Entwicklung hin zu Ödland, Verbuschung oder Verwaldung wird durch den Klimawandel zusätzlich verstärkt.

Dem entgegen steht die enorme Bedeutung der Almen im Hinblick auf den Erholungswert und Tourismus und auf die Sicherung hochwertiger, gesunder heimischer Lebensmittel durch die hohe Fleischqualität der Rinder und Schafe.

Auch der Erhalt des Quellwassers hängt am Bestehen der Almregionen. Umso mehr Ödland, desto größer ist die Gefahr von Erosionen und Umweltkatastrophen. Es besteht somit dringender Handlungsbedarf.

Mit dem vorliegenden Praxishandbuch des LFZ Raumberg-Gumpenstein können zukünftige Projekte besser starten und so der Gesamtentwicklung entgegenwirken. Ein Zukunftsprojekt im Interesse der steirischen Almbauern, der Tourismuswirtschaft, der Behörden, der Politik und aller Menschen im Lande.



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