Ebermast in Österreich?!
(10.10.2011) Ein Projekt des FiBL Österreich erforschte neben der geschmacklichen Akzeptanz von Eberfleischprodukten auch die betriebswirtschaftlich-ökonomischen Parameter für eine erfolgreiche Ebermast
DI Gwendolyn Rudolph, Forschungsinstitut für biologischen Landbau, Wien.
Während unter Tierärzten eher die Immunokastration als die Alternative der betäubungslosen Ferkelkastration bekannt ist, ist auf EU-Ebene die Ebermast unter bestimmten Umständen (z.B. Selektion geruchsbelasteter Tiere) als die langfristige Alternative zur betäubungslosen Ferkelkastration im Gespräch.
Die derzeit stattfindenden Diskussionen rund um die Ebermast auf europäischer Ebene lassen erahnen, dass sich auch die Vertreter der österreichischen Schweinehaltung demnächst mit dieser Thematik auseinandersetzen müssen.
Bis zum Jahr 2018 sollen Lösungsansätze konkretisiert und eine ehrliche Kostenverteilung realisiert werden, weshalb beispielsweise in Deutschland bereits hoch dotierte Forschungsprojekte initiiert wurden.
In Österreich ist die Skepsis gegenüber der Ebermast sehr hoch, eine Auseinandersetzung mit der Thematik ist mit äußerstem Unbehagen und Befürchtungen vor drastischen Auswirkungen begleitet.
Da die europäische Entwicklung jedoch auch Österreich betreffen wird, wurde vom FiBL Österreich ein Projekt initiiert, das sowohl in einer repräsentativen Verkostung (Doppel-Blind) die Akzeptanz von Eberfleischprodukten erforschte als auch in einer betriebswirtschaftlichen Analyse ökonomische Parameter für eine erfolgreiche Ebermast eruierte.
Ebergeruch: Der Ebergeruch wird vorrangig (soweit derzeit wissenschaftlich geklärt) von zwei Hauptkomponenten, Androsteon und Skatol. Skatol ist ein Abbauprodukt von Tryptophan, kommt folglich auch bei Sauen und Kastraten vor und lässt sich sehr stark durch Haltung und Fütterung beeinflussen.
Androstenon hingegen wird in den Leydig-Zellen im Hoden gebildet (je nach Rasse gibt es Unterschiede in den Konzentrationen) aus diesem Grund gibt es bereits Bestrebungen und erste Erfahrungen zur Zucht von Linien mit niedrigem Androstenongehalt.
Skatol kann von jedem Menschen wahrgenommen werden, Androstenon hingegen von 40%, wobei der Geruch von 8% der österreichischen Befragten sogar mit positiven Assoziationen verbunden wird. Beide Komponenten können sich u.a. im Fettgewebe anreichern und bei Erhitzen einen unangenehmen Geruch verursachen.
Im ersten Projektteil wurden daher stark geruchsabweichende Masteber, mäßig geruchsabweichende Masteber und geruchlich unauffällige Masteber sowie zwei Kontrollgruppen (Kastrat, Sau) in 5 Produkte verarbeitet.
Die Überprüfung der Geruchsabweichung erfolgte sowohl durch eine sensorische als auch durch eine chemische Analyse. Die fünf Geschmacksvarianten jedes Produktes wurden jeweils mit der gleichen Rezeptur und Würzung hergestellt. Jedes Produkt wurde von 150 Auskunftspersonen verkostet und bewertet.
Ergebnisse:
- Aggregiert über alle Produkte wird die geruchlich unauffällige Variante am besten bewertet. Geruchlich unauffällige Masteber stellen immerhin den größten Anteil an Tieren dar, die im Fall von Ebermast anfallen.
- Als Hauptablehnungsgrund bei schlechter bewerteten Geschmacksvarianten wurde in 4 von 5 Produkten eine fehlende Würzung angegeben (obwohl alle Geschmacksvarianten eines Produktes nach der gleichen Rezeptur hergestellt wurden). Nur im Fall des Kochschinkens werden Ablehnungsgründe angegeben, die auf einen Ebergeruch hindeuten könnten.
- Die mäßig geruchsabweichende Variante wurde immer schlechter bewertet als die stark geruchsabweichende Variante.
- Es gibt Produkte aus Eberfleisch mit Geruchsabweichung, die sehr gut von den KonsumentInnen akzeptiert werden. (z.B. Mini-Rohwürstel (Salami)). Diese Produkte könnten bereits jetzt ohne drastische Auswirkung aus geruchsabweichendem Eberfleisch hergestellt werden. Bei anderen Produkten (z.B. Kochschinken) ist durchaus Vorsicht bei einer Inverkehrbringung angebracht.
- Der Hauptablehnungsgrund fehlende Würzung zeigt das Potential der Rezeptur auf. Produkte aus geruchsabweichendem Eberfleisch, die von den KonsumtInnen nicht akzeptiert werden, müssen durch Innovationen und Kreativität der Verarbeiter eine neue Rezeptur erlangen, um in Folge von den KonsumentInnen akzeptiert zu werden.
Der zweite Projektteil, eine betriebswirtschaftliche Verfahrensvergleichsrechnung unter österreichischen Bio-Bedingungen, zeigt Tendenzen auf, die bei der Ebermast von Landwirten beachtet werden sollte.
Grundsätzlich zeichnet sich in Deutschland die Tendenz der getrennt geschlechtliche Ebermast ab, da hier eine optimierte Fütterung der Eber vorgenommen werden kann und zudem bei einer gemischten Haltung trächtige Sauen befürchtet werden.
Beachtet man diese Entwicklung, so können aus den Projektergebnissen folgende notwendige Empfehlungen für die Landwirte abgeleitet werden:
- Ausreichend hohes Schlachtgewicht (90-95kg), da zu geringe Schlachtgewichte die Wirtschaftlichkeit negativ beeinflussen
- Leistbare, hochwertige Eiweißfuttermittel, der Einsatz teurer Eiweißfuttermittel beeinflusst die Wirtschaftlichkeit ebenfalls unausweichlich negativ!
- Gesunde, frohwüchsige Tiere mit hohen Tageszunahmen
- Mehr Umtriebe möglich- (16% höhere Fleischproduktion/Mastplatzhöherer Ferkelbedarf-mehr Zuchtsauen nötig)
Zusatzinfo: Möglichst sauberer Stall (Vermeidung von Skatol); Futtermittel zur Vermeidung von Skatolbildung (z.B. Topinambur; Kartow); Züchterische Entwicklung gegen Ebergeruch verfolgen; Stressvermeidung, da Stress den Ebergeruch verstärkt
Die Ebermast hat neben dem tierschutzrelevantem Aspekt vor allem aufgrund der durchschnittlich höheren Magerfleischanteile (Eber: 59%; Kastrat: 56,5%) sowie der besseren Mastleistung und Futterverwertung Vorteile, als nachteilig muss die leicht geringere Ausschlachtung betrachtet werden (allerdings ist es durchaus möglich, dass sich auch hier Marktnischen etablieren können).
In Deutschland hat sich eine spezielle Bezahlungsmaske für Eberfleisch etabliert, offen ist wie in Österreich monetär mit Ebern mit Geruchsabweichung umgegangen werden könnte.
Ebermast setzt ein sehr gutes Fütterungsmanagement voraus, intensive Diskussionen und Auseinandersetzungen mit Futtermittelmöglichkeiten könnten allerdings eine große Chance für Bio-Betriebe sein, die diesen Aspekt bislang vernachlässigt haben.
Noch gibt es offene Fragen zum Thema Ebermast, alle Beteiligten entlang der Schweinefleisch-Wertschöpfungskette werden sich früher oder später der Herausforderung stellen müssen, diese Fragen zu lösen und eine stimmige Gesamtlösungen zu finden.