Was bestimmt die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Verdauungstrakt von Tieren?

(11.06.2019) Erstmals wurde nun eine großangelegte Studie durchgeführt, um anhand von Fäkalproben freilebender Tiere die Entwicklung des Mikrobioms erklären zu können. Untersucht wurden 128 verschiedene Spezies aus den Klassen Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere.

Sie sind ein Teil von uns: Wir alle tragen etwa zehnmal so viele Bakterien und Archaeen in uns herum wie eigene Zellen. Das Ökosystem in unserem Verdauungstrakt, das sogenannte Mikrobiom, hat nicht nur für unseren Stoffwechsel eine große Bedeutung, sondern auch für das Immunsystem und sogar das Verhalten.

Bei Tieren ist es genauso, allerdings unterscheidet sich die Zusammensetzung des Mikrobioms von Tierart zu Tierart stark.

Was bestimmt die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Verdauungstrakt von Tieren? Eine große Studie der TU Wien und der Karl Landsteiner Universität Krems gemeinsam mit dem MPI Tübingen ging diesem Rätsel nun nach.


Georg Reischer im Biolabor an der TU Wien

So konnte man zeigen, wie Evolution und Ernährungsgewohnheiten zusammenspielen und die Zusammensetzung der Bakterien im Verdauungstrakt bestimmen. Viele Kleinstlebewesen im Darm haben sich über viele Millionen Jahre gemeinsam mit ihren Wirtstieren mitentwickelt. Mit diesem Wissen soll es in Zukunft auch möglich werden, fäkale Verunreinigungen in Gewässern viel genauer bestimmten Tierarten zuzuordnen.

Proben aus allen Ästen des Stammbaums

„Bisher gibt es Untersuchungen am Mikrobiom von Menschen, oder auch spezielle Daten für einzelne Spezies wie etwa Ratten. Wir wollten aber viele Tierarten auswählen, die möglichst repräsentativ den gesamten Stammbaum der Wirbeltiere abdecken – von Vögeln über Säugetiere bis hin zu Fischen“, sagt Prof. Andreas Farnleitner, der an der TU Wien das Interuniversitäre Forschungszentrum „Wasser und Gesundheit“ co-leitet (ICC Water & Health, www.waterandhealth.at) und gleichzeitig als Professor für Mikrobiologische Diagnostik in Erweiterung des ICC Water & Health an der Karl Landsteiner Privatuniversität in Krems forscht.

Wichtig war, Proben von Wildtieren zu bekommen, denn Zootiere können ein ganz anderes Mikrobiom haben als ihre frei lebenden Artgenossen. Bei der Probenbeschaffung war das Institut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien federführender Partner.

Dann wurde die DNA der untersuchten Mikroorganismen sequenziert – zum Teil an der TU Wien, zum Teil am Max Planck Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen.

„Insgesamt wurden über 400 Proben von 180 unterschiedlichen Spezies analysiert, dabei wurden 20 Millionen Gen-Sequenzen erhoben“, sagt Dr. Georg Reischer (TU Wien). Die Kooperationspartner des MPI in Tübingen brachten ihr Know-how in bioinformatischer Datenanalyse und Evolutionsbiologie in die Studie ein.

Dabei zeigten sich auffallende Zusammenhänge, die sich evolutionsgeschichtlich erklären lassen: Das Mikrobiom hat sich über viele Millionen Jahre in einer Koevolution mit den Wirtstieren mitentwickelt. Eng verwandte Spezies, die einander am Stammbaum der Evolution nahe sind, weisen auch Ähnlichkeiten im Mikrobiom auf.

„Auch die Ernährung spielt eine Rolle, aber sie ist nie alleine ausschlaggebend“, erklärt Georg Reischer. „Wenn ein Säugetier dasselbe isst wie ein Vogel, dann hat es deshalb nicht dieselben Bakterien im Darm.“

Der Verunreinigungs-Bio-Detektor

Mit dem Datenmaterial kann man nicht nur die Koevolution von Wirtstieren und den Mikroorganismen in ihrem Verdauungstrakt besser verstehen, sondern auch Verfahren entwickeln, die uns helfen, für sauberes Wasser zu sorgen.

An der TU Wien wurde in den letzten Jahren bereits eine Technologie entwickelt, die anhand von DNA-Tests Hinweise auf die Ursache fäkaler Verunreinigungen im Wasser liefert.

So kann man zum Beispiel herausfinden, ob die Verunreinigung durch menschliches Abwasser oder Weidetiere entstanden ist. „Nun haben wir einen sehr umfangreichen Datensatz zur Verfügung, mit dem solche Tests auf viel umfassendere und genauere Weise möglich werden“, sagt Andreas Farnleitner.



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