Fallbericht: Alimentär bedingter Hyperpara-thyroidismus bei einem 7 Monate alten Kater
(17.07.2014) Darstellung anamnestischer, klinischer und labordiagnostischer Befunde bei einer Katze mit einem sekundären nutritiven Hyperparathyroidismus
Nationale
Akito, 7 Monate alter männlicher Türkisch Angora Kater, 2.30 kg
Vorbericht
Akito wurde im Februar 2014 in der Tierklinik Dr. Krebitz aufgrund von Schwäche, Zittern und Anfallssymptomatik vorgestellt. Der Kater zeigte die Symptome seit circa zwei Wochen.
Die Besitzerin berichtete, dass die Katze plötzlich umfällt und dann mit den Ohren, dem Kopf oder den Füssen zu zucken und zu zittern beginnt. Im Anschluss an diese Episode ist das Tier sehr schwach und ruhig, aber ansprechbar.
Während der Anfälle zeigt Akito keine Vokalisation, keinen Kot- oder Harnabsatz.
Die Katze stammt von einem Züchter in Deutschland, ist ungeimpft und nicht entwurmt. Laut Besitzerin trinkt das Tier viel; frisst aber normal; Harn- und Kotabsatz sind o.B.
Klinische Untersuchung
Allgemeinverhalten ruhig und aufmerksam; Schleimhäute blassrosa mit einer kapillären Füllungszeit von 1,5 Sekunden; Atemfrequenz 28/Minute; Pulsfrequenz 168/Minute, kräftig, gleichmäßig, regelmäßig, Arterie gut gefüllt und gespannt; Herz und Lunge auskultatorisch o.B.; Abdomen sowie Hoden palpatorisch unauffällig; innere Körpertemperatur 38.0°C; Hyperästhesie im Lendenwirbelsäulenbereich; neurologische Untersuchung unauffällig.
Aufgrund der Anamnese und der klinischen Untersuchung waren folgende Verdachtsdiagnosen im Raum:
- Metabolische Ursache (Hypoglykämie, Hypokalzämie, Hyper-/Hypo-Kaliämie)
- Toxische Ursache (Intoxikation)
- Schmerzen
- Entzündliche Ursachen (FIP, Toxoplasmose)
- Kleinhirn/Hirnstammerkrankung (z.B. Zerebelläre Hypoplasie)
Um die Differentialdiagnosen näher eingrenzen zu können, wurde zu Beginn eine Blut-Untersuchung durchgeführt. Das Blutbild war unauffällig. Die Infektionskrankheiten (FeLV, FIV, FIP) waren negativ.
Es konnten nur Veränderungen im Bereich der Elektrolyte (Hypokalzämie und Hyperphosphatämie) sowie eine Erhöhung bei der Alkalischen Phosphatase (AP) festgestellt werden (siehe Tab. 1).
Auf weitere Nachfrage erzählte die Besitzerin, dass das Tier von klein auf geBARFt wird. Die Futterration besteht aus Rind, Geflügel oder Lachs als Proteinquelle. Diese wird mit Gemüse und Zusatzstoffen vermengt. Eine Portion besteht aus circa 120-150 g Futter, wobei etwa 5-10% davon Gemüse ist (z.B. Kartoffel, Erbsen, Karotten, Pastinake, ).
Die Zusatzstoffe (Seealgen, Lachsöl, Taurin, Meeressalz, gemahlene Eierschalen) wurden anschließend ergänzt. Laut Tierhalterin ist diese Fütterung kontrolliert durch eine Analyse im Internet. Sie hat dafür verschiedene Internetseiten besucht und sich vorab informiert.
Ein Portions-Beispiel: |
Hypokalzämien findet man bei Niereninsuffizeinzen, diätischen Imbalancen und bei laktierenden Tieren. Die Hyperphosphatämie ist in diesem Fall auf eine vermehrte Zufuhr von Phosphor zurückzuführen.
Aufgrund der anamnestischen, klinischen und labordiagnostischen Befunde wurde die Verdachtsdiagnose alimentärer Hyperparathyreodismus geäußert. PTH sowie Vitamin D3 konnten leider nicht bestimmt werden.
Therapie
Als Therapie wurde der Kater auf ein kommerzielles Diätfutter umgestellt. Akito erhielt Royal Canin Feline Renal Trockenfutter für 7 Tage. Der reduzierte Phosphorgehalt (0,28%) und das Ca/P Verhältnis (2:1) helfen den Phosphatspiegel und in Folge vor allem die Parathormonausschüttung zu senken.
Anschließend Wechsel zu Royal Canin Pediatric Growth um einer dauerhafte Unterversorgung mit Protein und Energie vorzubeugen und ein optimales Ca:P Verhältnis für die Wachstumsphase sicher zu stellen.
Laut telefonischer Rücksprache ging es dem Tier bereits eine Woche nach der Futterumstellung besser. Eine erneute Kontrolluntersuchung wurde sieben Wochen später vereinbart.
Bei dieser zeigte Akito keinerlei anamnestische oder klinische Auffälligkeiten. Bei der Kontroll-Blutuntersuchung zeigten sich eine Normalisierung der Elektrolyte sowie ein deutliches Absinken der AP.
Tab. 1.: Blutwerte Akito
Zur Erkrankung
Der sekundäre alimentäre Hyperparathyroidismus ist selten und kommt vor allem bei nur mit Fleisch oder Fisch gefütterten Katzenwelpen vor. Ein chronischer Calciummangel in Verbindung mit einem mangelhaften Ca/P Verhältnis (<1) in der Nahrung hat eine Erniedrigung des Plasma-Calcium Spiegels, sowie eine Erhöhung des Plasma-Phosphat Spiegels zur Folge.
Dadurch kommt es zu einer Parathormon (PTH) Hypersekretion. Diese soll die Kalziumhomöostase durch folgende Mechanismen wiederherstellen:
- Mobilisierung von Kalzium und Phosphor aus den Knochen
- Verstärkte Kalzium Rückresorption in der Niere
- Geringere Phosphor Rückresorption aus dem Harn
- Verstärkte Kalzium und Phosphor Resorption im Gastrointestinaltrakt bei ausreichend Vitamin D Verfügbarkeit
Die Nebenschilddrüsen reagieren auf den Calciummangel mit einer zellulären Hyperplasie und Hypertrophie.
In weiterer Folge kommt es zum Knochenabbau durch Entmineralisierung. Das Symptom des rubber jaws (Gummikiefer) ist bei der Katze im Gegensatz zum Hund kaum zu sehen.
Akito, 7 Monate alter männlicher Türkisch Angora Kater, 2.30 kg
Bei Katzen zeigt sich eher eine erhöhte Schmerzhaftigkeit der Knochen. Als Ausdruck eines verstärkten Knochenabbaus ist die Alkalische Phosphatase erhöht. Auch beim hier gezeigten Fall war die AP schon deutlich erhöht.
In der Literatur sind bei Katzen vor allem Bewegungsstörungen und Berührungsschmerzen, sowie neuromuskuläre Störungen wie z.B. Parästhesien, Zittern, Schwäche, infolge von gestörter elektrischer Aktivität in Neuronen und Muskeln beschrieben.
Die alleinige Therapie beruht auf einer Korrektur des Missverhältnisses im Kalzium und Phosphor Spiegel.
Fazit
Bei unklaren nervalen Symptomen oder Bewegungsstörungen bei jungen Tieren sollte immer eine genaue Fütterungsanamnese erhoben werden und differentialdiagnostisch an einen alimentären Hyperparathyroidismus gedacht werden.
Literatur
Dillitzer, N.: Tierärztliche Ernährungsberatung, 2. Auflage, 2012; München: Elsevier, Urban & Fischer; ISBN 978-3-437-58311-7
Pibot, P., Biourge, V., Elliott, D.: Enzyklopädie der klinischen Diätetik der Katze / Royal Canin, 2008; Paris: Aniwa SAS; ISBN 978-3-89993-056-6
Krook, L., Barrett, R., Usui, K., Wolke, R.: Nutritional secondary hyperparathyroidism in the cat, Cornell Vet. 1963, 53:224-40.
Tomska ,K., Glaus, T., Hauser, B., Flückiger, M., Arnold, P., Wess, G., Reusch, C.: Nutritional secondary hyperparathyroidism in six cats, J Small Animal Pract. 1999, 40(11):533-9.
Autoren
Claudia Ouschan, Elisabeth Krebitz-Gressl (Tierklinik Dr. Krebitz, Viktringer Ring 3, 9020 Klagenfurt), Wolfgang Kreil (Royal Canin Österreich GmbH, Wolfgang-Pauli-Gasse 3, 1140 Wien)