Kommunikation erleichtert den Schimpansen die Jagd

(01.08.2022) Ähnlich wie Menschen nutzen Schimpansen Kommunikation, um ihr kooperatives Verhalten zu koordinieren – etwa bei der Jagd.

Durch das Erzeugen eines für die Jagd spezifischen Rufes, dem sogenannten «Jagdbellen», rekrutieren Schimpansen mehr Gruppenmitglieder für die Jagd und ergreifen ihre Beute erfolgreicher, wie Forschende der Universität Zürich und der Tufts University zeigen.

Schimpansen ernähren sich nicht nur von Früchten, sondern auch von proteinreichem Fleisch, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt. Um die flinken Affen als Beutetiere in den Baumkronen zu fangen, sind Schimpansen im Vorteil, wenn sie gemeinsam in der Gruppe jagen.


Hoch oben in den Baumkronen jagt eine Gruppe Schimpansen eine kleinere Primatenart: einen Stummelaffen.

Wie ein internationales Forschungsteam nun erstmals zeigt, spielt Kommunikation bei der Rekrutierung von Gruppenmitgliedern für die Jagd eine Schlüsselrolle.

«Jagdbellen» macht die Verfolgung effektiver

Wissenschaftler der Universität Zürich (UZH) und der Tufts University in Boston untersuchten über 300 Jagdereignisse, die in den letzten 25 Jahren in der Schimpansengemeinschaft von Kanywara in Uganda aufgezeichnet wurden. Dabei kamen sie zur Erkenntnis, dass die wild lebenden Menschenaffen durch das Erzeugen des «Jagdbellens» die Gruppenjagd katalysieren und diese Form von kooperativem Verhalten dadurch effektiver wird. «Schimpansen, die Jagdgebell von sich geben, teilen ihrer Umgebung mit, dass sie motiviert sind zu jagen.

Diese Information kann zögernde Individuen überzeugen, sich der Jagd anzuschliessen, was die Erfolgschance auf Beute für alle Beteiligten erhöht», sagt Joseph Mine, Doktorand am Institut für Vergleichende Sprachwissenschaft der UZH, der die Studie leitete.

Im dichten tropischen Regenwald, wo die Sicht beschränkt ist, ist die Jagd in der Gruppe eine Herausforderung. Verbale Kommunikation ermöglicht hier eine effiziente Gruppenarbeit.

«Auffallend ist, dass sich nach dem Jagdbellen mehr Jäger anschliessen, die Jagd schneller beginnt und der erste Fang weniger Zeit benötigt», sagt Studienmitautorin Zarin Machanda von der Tufts University, die das Schimpansenprojekt in Kanyawara leitet.

Um herauszufinden, weshalb das Bellen eine solche Wirkung zeigt, braucht es weitere Forschung. «Derzeit ist unklar, ob die Rufe absichtlich abgegeben werden, um die genauen Handlungen in der Gruppe zu koordinieren, oder ob einzelne Tiere damit ihre Entscheidung zu jagen ankündigen.

Dies erhöht wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass andere sich anschliessen, denn mit mehr Jägern sind die Tiere effektiver», fügt UZH-Professor Simon Townsend an, der die Studie mitgeleitet hat.

Koevolution von Kommunikation und Kooperation

Die Evolutionsbiologinnen und -biologen berücksichtigten eine ganze Reihe anderer Faktoren, die den Ausgang einer Jagd beeinflussen können, unter anderem die Anwesenheit geschickter, erfahrener Jäger oder potenzielle Ablenkungen. Das Ertönen von Jagdbellen nahm jedoch stets eine Schlüsselrolle ein.

«Wenn Menschen komplexe kooperative Handlungen koordinieren, ist Kommunikation essenziell. Unsere Erkenntnisse sind nun der erste Hinweis darauf, dass vokale Kommunikation auch die Gruppenkooperation bei unseren nächsten lebenden Verwandten erleichtert», so Townsend.

Es ist allgemein anerkannt, dass Kommunikation und Kooperation bei Menschen eng miteinander verbunden sind und sich gemeinsam entwickelt haben. Wurde das eine im Laufe der Zeit komplexer, entwickelte sich auch das andere weiter, so dass ein Rückkopplungskreislauf entstand. Dieser führte schliesslich zur menschlichen Sprache sowie zu den einzigartig komplexen Formen der Zusammenarbeit beim modernen Menschen.

Evolutionäre Wurzeln mindestens sieben Millionen Jahre alt

Nicht bekannt ist jedoch, wie weit sich die Beziehung zwischen Kooperation in der Gruppe und verbaler Kommunikation in der evolutionären Vergangenheit des Menschen zurückverfolgen lässt. «Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Beziehung sehr alt ist.

Die Verbindung scheint seit mindestens sieben Millionen Jahren zu bestehen, also seit unserem letzten gemeinsamen Vorfahren mit den Schimpansen», fasst Joseph Mine zusammen.

Publikation

Joseph G Mine, Katie E Slocombe, Erik P Willems, Ian C Gilby, Miranda Yu, Melissa Emery Thompson, Martin N Muller, Richard W Wrangham, Simon W Townsend, Zarin P Machanda. Vocal signals facilitate cooperative hunting by wild chimpanzees. Science Advances. July 29, 2022. DOI: 10.1126/sciadv.abo5553



Weitere Meldungen

Dorsch (Gadus morhua); Bildquelle: Wilhelm Thomas Fiege/CC BY-SA via Wikimedia Commons

Fische könnten aussterben, wenn sie aufgrund steigender Temperaturen ihr Jagdverhalten ändern

Fischarten reagieren auf höhere Temperaturen, indem sie leichter verfügbare Beute jagen. Dieses Verhalten könnte laut Modellrechnungen zum Aussterben von Arten führen.
Weiterlesen

Gestreifte Marline jagen in der Gruppe einen Schwarm Fische.; Bildquelle: Nick Price

Wie die Gruppenjagd im offenen Ozean funktioniert

Verhaltensökolog*innen des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Humboldt-Universität zu Berlin (HU Berlin) haben das Jagdverhalten von Tieren in Gruppen untersucht und dabei festgestellt, dass Tiere im Wasser anders jagen als Tiere an Land
Weiterlesen

Schädel des ältesten Hundes (Hesperocyon gregarius) mit Innenohr in rot dargestellt; Bildquelle: Universität Wien

Das Jagdverhalten ausgestorbener Raubtiere verstehen

WissenschafterInnen rekonstruieren innere Anatomie fossiler Säugetiere
Weiterlesen

Ein Segelfisch führt seinen Schnabel durch einen Sardinenschwarm.; Bildquelle: Rodrigo Friscione

Warum Segelfische erfolgreicher in der Gruppe jagen

Segelfische sind große ozeanische Raubfische, die ihre Beute mit ihrem langen spitzen Schnabel attackieren. Dabei spezialisieren sie sich meist auf eine Angriffsseite, was ihre Erfolgsrate beim Jagen erhöht
Weiterlesen

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Einzelne Blutsubstanz löst das Jagdverhalten von Raubtieren aus

Nur allzu bekannt ist die Redewendung, wenn jemand Blut geleckt hat. Im Tierreich übt allein schon der Geruch von Blut auf Fleischfresser eine unwiderstehliche Wirkung aus
Weiterlesen


Wissenschaft


Universitäten


Neuerscheinungen