Ausbreitung exotischer Stechmücken und Krankheitserreger: weniger Treibhausgase, mehr Stechmücken-Bekämpfung!

(22.08.2022) Wärmere Sommer und veränderte Niederschläge bringen mehr Stechmücken und mehr exotische Infektionskrankheiten mit sich.

Das ist stark vereinfacht das Szenario, mit dem infolge des Klimawandels zu rechnen ist.

Forschende des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) fordern deshalb anlässlich des heutigen Welt-Moskito-Tags, den CO2-Ausstoß zu reduzieren und die Stechmückenbekämpfung zu intensivieren.

Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin Der Klimawandel fördert Ausbrüche von durch Stechmücken übertragenen Erregern auf zweierlei Weise. Zum einen breiten sich exotische Stechmückenarten immer weiter Richtung Norden aus.

Die Asiatische Tigermücke Aedes albopictus etwa ist in Südeuropa bereits seit den 1990er Jahren heimisch. Dort ist sie insbesondere für Ausbrüche des Chikungunya-Virus und des Dengue-Virus verantwortlich.

In Deutschland haben sich Aedes albopictus-Populationen ebenfalls etabliert.

Zum anderen gibt es die Korrelation: Je höher die hochsommerlichen Termperaturen sind, desto schneller vermehren sich viele Arboviren in den Stechmücken. Und desto höher ist das Risiko, dass Stechmücken diese Viren auf Menschen und Tiere übertragen können.

Es wird immer klarer, dass auch heimische Stechmückenarten eine Vielzahl von Viren übertragen können. Im Hitzesommer 2018 kam es erstmals zu einem Ausbruch des West-Nil-Virus in Ostdeutschland.

Seitdem gibt es jährlich Krankheitsfälle in Vögeln, Pferden und Menschen. „Die Übertragungswahrscheinlichkeit dieses Virus ist direkt temperaturabhängig: Steigen die Temperaturen, steigt auch das Infektionsrisiko“, sagt Dr. Renke Lühken, der Leiter der Forschungsgruppe Arbovirus Ökologie am BNITM.

Komplexes Wechselspiel

Das Wechselspiel etwa zwischen steigenden Temperaturen, steigendem Meeresspiegel, veränderten Niederschlagsregimen und dem Übertragungsrisiko von Krankheitserregern ist sehr komplex.

Das hat erst kürzlich eine Studie der Universität Hawaii in Nature Climate Change beschrieben. „Diese Vielschichtigkeit macht eine gesellschaftliche Anpassung sehr schwierig.

Deshalb muss die Reduzierung der Treibhausgasemissionen als wichtigste langfristige Maßnahme weiter im Fokus stehen“, so Lühken. Zudem sei es jetzt wichtig, effiziente und effektive Überwachungs- und Bekämpfungssysteme zu etablieren.

Intelligentes Frühwarnsystem

Vor diesem Hintergrund intensiviert das BNITM seinen Beitrag zur Stechmückenforschung, -überwachung und -kontrolle. Besonders hervorzuheben ist zum einen das durch die Europäische Kommission ausgezeichnete Projekt „EarlY WArning System for Mosquito borne diseases“ (EYWA), zum anderen die BMBF-Nachwuchsgruppe „Fast-Echtzeit Entscheidungshilfe für die Bekämpfungsmethode von durch Stechmücken übertragene Viren“.

Beide Projekte sammeln in Europa bzw. Deutschland Wetterdaten, Ergebnisse von Stechmückenzählungen, Informationen zu Virennachweisen und vieles mehr und werten sie mit Hilfe von mathematischen Modellen aus. Auf diese Weise lassen sich kurzfristig lokal begrenzte Ausbrüche stechmückenübertragener Krankheiten vorhersagen.

Das ist wichtig, weil man Stechmücken in klar begrenzten Gebieten gut bekämpfen und Ausbrüche schnell unter Kontrolle bringen kann. Dieses Frühwarnsystem wird nun durch das BNITM in Ländern des globalen Südens wie Thailand und der Elfenbeinküste etabliert.

„Die Kartierung, Modellierung und Bekämpfung von Stechmücken ist gerade in tropischen Ländern von großer Bedeutung, weil dort Moskitos viele schwere Infektionskrankheiten übertragen“, so der Leiter des BNITM, Prof. Jürgen May. „Hier haben die meisten dieser Infektionen ihren Ursprung, die sich jetzt bis zu uns ausbreiten.“

Stechmücken gezielt bekämpfen

Um Stechmücken in Schach zu halten, brauche es allerdings geschultes Personal, sagt der Leiter der Abteilung Arbovirologie und Entomologie des BNITM, Prof. Jonas Schmidt-Chanasit: „Die Stechmückenbekämpfung muss in Deutschland dringend flächendeckend professionalisiert werden. Es muss eine gezielte und nachhaltige Bekämpfung der Stechmücken geben, ohne andere Insekten dabei zu schädigen.“

Vorbilder gebe es, so Schmidt-Chanasit. In Griechenland etwa, wo auch die Leitung des EYWA-Konsortiums angesiedelt ist. Dort liefere EYWA so exakte Ergebnisse von Ausbruchsgebieten, dass jetzt Risikozonen identifiziert und Stechmücken gezielt bekämpft werden können.

Oder die Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e.V. (KABS), ein Zusammenschluss von Gemeinden am Oberrhein. Sie haben sich schon vor Jahrzehnten zusammengetan und arbeiten unter anderem mit stechmückenspezifischen Insektiziden, die in Brutgewässern ausgebracht werden. Auch die KABS ist Teil des internationalen Frühwarnsystems.




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