Neue Endogen Retroviren im Koala-Genom identifiziert
(14.06.2022) Historische Virusinfektionen lassen sich in den Genomen von Wirbeltieren nachweisen. Über Millionen von Jahren waren diese Genome Aufbewahrungsorte für Retroviren, die ihren Code in Keimbahnzellen einschleusten und als Endogene Retroviren (ERVs) vererbt wurden.
Forscher der Universität Uppsala haben nun neue Erkenntnisse über die Ansiedlung von Retroviren im Koala-Genom vorgelegt. Die Ergebnisse werden in der Zeitschrift PNAS veröffentlicht.
Die Forscher untersuchten das Koala-Genom und fanden neben dem bereits bekannten Koala-Retrovirus (KoRV) neue ERV-Stämme. KoRV wurde mit Krankheiten bei Koalas, wie z. B. Krebs, in Verbindung gebracht und ist dabei, sich als ERVs in der Population zu etablieren.
Dies hat dazu beigetragen, dass der Koala als potenzielles Modell für die Etablierung von Retroviren in Echtzeit und deren gesundheitliche Auswirkungen angesehen wird, ein Potenzial, das nun durch das unerwartete Verbreitungsmuster neuer ERV-Linien verstärkt wird.
"Durch das Screening verfügbarer Koala-Genome haben wir neue ERV-Stämme identifiziert. Eine davon ist mit dem Retrovirus des Totenkopfäffchens verwandt, das normalerweise in Süd- und Mittelamerika vorkommt.
Viele ERVs dieses Typs kommen nur bei wenigen Koala-Individuen vor, was darauf hindeutet, dass sie relativ neu sind. Es könnte sogar auf eine laufende Etablierung in der Population hindeuten", sagt Mette Lillie, Hauptautorin der Studie.
Die groß angelegte Sequenzierung ganzer Genome von Artenpopulationen ermöglicht es den Forschern, Parallelen zwischen den neuen ERVs und Retroviren zu ziehen, die sich derzeit etablieren, wie etwa KoRV.
Anhand des Verteilungsmusters der ERVs in der Population und des Vergleichs der unterschiedlichen ERV-Linien kommen die Forscher zu dem Schluss, dass weitere aktive Retroviren bei Koalas und anderen Tierarten, die die gleiche Umgebung teilen, entdeckt werden könnten. Die Beobachtungen sind eine treibende Kraft bei der Suche nach potenziell aktiven Retroviren in der australischen Tierwelt, die noch nicht identifiziert wurden.
"Die ERVs, die nach Retrovirus-Infektionen in der Vergangenheit zurückgeblieben sind, ermöglichen es nun, historische Interaktionen zwischen Retroviren und Tierarten aufzudecken, wie z. B. die Kartierung, wie die Virusübertragung stattgefunden hat. Variationen in den ERV-Verteilungsmustern innerhalb von Wirtspopulationen können auch als genomische Marker wertvoll sein, zum Beispiel für das Management und den Schutz gefährdeter Arten", sagt Patric Jern, der die Studie leitete.
Veröffentlichung
Lillie M., Hill J., Pettersson M.E. und Jern P. (2022) Expansion einer Retrovirus-Linie im Koala-Genom. Proceedings of the National Academy of Sciences (USA), DOI: 10.1073/pnas.2201844119