Gebietsfremde Arten weltweit auf dem Vormarsch

(15.02.2017) Die Anzahl gebietsfremder Arten nimmt kontinuierlich zu und es gibt keine Anzeichen, dass dieser Trend abnimmt.

Ein internationales Forschungsteam, koordiniert von Franz Essl von der Universität Wien und Hanno Seebens von Senckenberg in Frankfurt, fand heraus, dass die Rate der Neubeobachtungen gebietsfremder Arten in den letzten Jahrzehnten stetig zunahm – mit derzeit 1,5 neuen gebietsfremden Arten pro Tag weltweit.

Die Studie wurde in der renommierten Zeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht.


Das nordamerikanische graue Eichhörnchen hat das heimische rötliche Eichhörnchen in Großbritannien nahezu verdrängt

Zwar war bekannt, dass die Anzahl der Arten, die durch den Menschen in neue Gebiete eingeführt wurden, in den letzten Jahrzehnten anstieg. Unklar blieb, ob die Spitze des Eisbergs schon erreicht ist.

Der Ökologe Franz Essl von der Universität Wien hat als Mitautor der Studie nun eine Antwort: "Für alle Organismengruppen auf allen Kontinenten stieg die Anzahl gebietsfremder Arten in den letzten 200 Jahren stetig an.

In vielen Fällen ist sogar die Rate der Einführung in heutiger Zeit am höchsten. Ausgenommen bei Säugetieren und Fischen fanden wir keine Hinweise auf eine Abschwächung dieser Trends. Wir müssen daher mit mehr Invasionen in Zukunft rechnen."

Zu dieser Einschätzung kam ein internationales Team aus 45 ForscherInnen. Sie erstellten eine Datenbank mit dem jeweiligen Datum des Erstfunds einer gebietsfremden Art in einer Region außerhalb ihres Heimatgebiets.

Die Datenbank enthält über 45.000 dieser Erstfunde von über 16.000 Arten und bildet die Grundlage für die Analyse der zeitlichen Entwicklung invasiver Arten in den letzten Jahrhunderten.

Die WissenschafterInnen zeigten, dass 37 Prozent aller Erstfunde in den letzten Jahrzehnten (1970-2014) aufgezeichnet wurden. Maximal wurden 585 neue Arten in einem einzigen Jahr gefunden, was mehr als 1,5 neuen Arten pro Tag weltweit entspricht.

"Allerdings ist der Erstfund gebietsfremder Arten in sehr vielen Fällen nicht bekannt, so dass diese Zahlen die tatsächliche Tragweite der Bioinvasion gar nicht abbilden“, erklärt Hanno Seebens, Erstautor der Studie.

Die beobachteten Trends variieren deutlich zwischen den Organismengruppen, was häufig menschlicher Aktivität zugeordnet werden kann. "Wir fanden einen deutlichen Anstieg der Erstfunde von Pflanzen bereits im 19. Jahrhundert, was vermutlich die Intensivierung im Gartenbau widerspiegelt.

Viele andere Organismen wie Insekten, Muscheln oder Algen zeigen einen starken Anstieg nach 1950, was sehr wahrscheinlich dem verstärkten internationalen Handel geschuldet ist", erklärt Seebens.

Der beispiellose Anstieg gebietsfremder Arten hat massive Konsequenzen, da einheimische Spezies verdrängt und natürliche Lebensräume dadurch verändert werden.

Zusätzlich kommt es zu einer globalen Homogenisierung der Floren und Faunen, da sich Artengemeinschaften weltweit immer weiter angleichen und regionale Unterschiede verloren gehen.

Weltweit gibt es viele Gesetze und Abkommen mit dem Ziel, die Verbreitung gebietsfremder Arten zu reduzieren. "Unsere Studie zeigt, dass die Anstrengungen, die Ausbreitung neuer Arten zu verhindern, nicht effektiv genug waren, um mit der Globalisierung Schritt zu halten. Es daher dringend erforderlich, effektivere Maßnahmen zur Vermeidung auf allen Ebenen zu implementieren", so Essl.

Publikation

H. Seebens, T. M. Blackburn, E. Dyer, P. Genovesi, P. E. Hulme, J. M. Jeschke, S. Pagad, P. Pyšek, M. Winter, M. Arianoutsou, S. Bacher, B. Blasius, G. Brundu, C. Capinha, L. Celesti-Grapow, W. Dawson, S. Dullinger, N. Fuentes, H. Jäger, J. Kartesz, M. Kenis, H. Kreft, I. Kühn, B. Lenzner, A. Liebhold, A. Mosena, D. Moser, M. Nishino, D. Pearman, J. Pergl, W. Rabitsch, J. Rojas-Sandoval, A. Roques, S. Rorke, S. Rossinelli, H. E. Roy, R. Scalera, S. Schindler, K. Štajerová, B. Tokarska-Guzik, M. van Kleunen, K. Walker, P. Weigelt, T. Yamanaka, and F. Essl, "No saturation in the accumulation of alien species worldwide", Nature Communications
Doi 10.1038/ncomms14435



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